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Pathos und Apfelmus

■ Der Bremer Förderpreis für Bildende Kunst geht an Florian Zeyfang: Internet-Polemik und Collagen mit Zappa-LPs

Der Foto-, Computer- und Videokünstler Florian Zeyfang hat ein Problem. Als Junge mochte er die Platten von Frank Zappa und Pink Floyd, aber heute will er deren leere Versprechen von Sex, Freiheit, Drogen und Liebe nicht mehr hinnehmen. Was also her muß, ist Kritik. Die LP-Covers der Lieblingsscheiben seiner Jugendzeit hat der 31jährige deshalb mit Fotos seines damaligen Stereoapparates zu einer Art Collage vereint.

Tiefsinnig, doch allemal schwer verständlich für BetrachterInnen, denen er nicht redselig zur Seite steht. Ähnlich ist es bei seiner künstlerischen Schelte am Internet. Trotzdem: AnhängerInnen seiner engagierten Gegenwartskunst gibt es durchaus. Gestern wurde dem Nachwuchskünstler der Bremer Förderpreis für Bildende Kunst überreicht. 108 Mitbewerber hat er ausgestochen.

10.000 Mark cash bedeutet der Preis für den gebürtigen Stuttgarter, der noch vor kurzem Meisterschüler an der Berliner Kunstakademie war. Zudem eine spätere Einzelausstellung und ein dazugehöriger Katalog, der nochmals mit 5.000 Mark unterstützt wird. Ab Sonntag sind Zeyfangs Arbeiten in der Städtischen Galerie im Buntentor ausgestellt, zusammen mit den sehr unterschiedlichen Werken von zehn weiteren BewerberInnen der engeren Wahl.

Florian Zeyfang, so heißt es in der Preisbegründung, habe sich „auf originelle und spielerische, dabei auch kritische Weise mit den Kommunikationsmedien auseinandergesetzt“. In einer für Zeyfang reservierten Ecke hängt neben einigen Computerausdrucken und einem Gerät, das einen selbstfabrizierten Dokumentarfilm abspult, ein weiterer Monitor. In der dort gezeigten Videoarbeit „Pathos of distance“ geht Zeyfang, Medienfan und -kritiker in einer Person, auf Distanz zu Werbespots eines großen Computerherstellers: Die PR-Comics wurden vergröbert, Untertitel getilgt, polemische Internet-Sprüche eingeblendet.

Des Künstlers Begründung für solch mühselige, bisweilen ermüdende Handarbeit: „Die Versprechen der Werbung, daß man über Internet Zugang zu Liebe und Freiheit kriegt, Out-of-body-Erfahrungen macht und in eine virtuelle Gemeinschaft aufgenommen wird, stimmen doch einfach nicht. Wir werden nicht eins mit Serben und Bosniern, nur weil es einen Internet-Anschluß gibt.“

Hans-Joachim Manske, Leiter der Städtischen Galerie, zeigte sich zufrieden mit der Zuordnung des exakt 20. Bremer Förderpreises, einer Auszeichnung, die für NachwuchskünstlerInnen aus Bremen und Bremerhaven gedacht ist. Daß Zeyfang weder in Bremen geboren, noch in Bremen gelernt hat, sondern hier allenfalls ein paar Jahre „Pubertät, Schule und politische Bildung“ (Zeyfang) absolviert hat, wird von Manske nicht so eng gesehen: eine „Internationalisierung des Preises“ wünscht er sich und: „Bremen bietet eine ganze Menge, aber irgendwann muß man raus.“ Manske will „Positionen, die nicht nur auf regionalem Humus gewachsen sind“.

Viele der übrigen Kunstpositionen sind aus Galerien und Ausstellungen vor Ort bekannt. Helga von Häfen etwa, die sich auch diesmal bei ihren entfernt an Claes Oldenburgs Riesenobjekte erinnernde Plastiken ganz der Lust am Textilen verschrieben hat. Neben Zeyfangs Installation hat sie dralle Monster-Zöpfe aus Blümchenstoff gehängt. Darunter sind rosige Stoffobjekte, die zweifelsohne an Genitalien erinnern, nach Größe und somit Hierarchie geordnet.

Ehe die BesucherInnen schließlich an Achim Bitters arg traditioneller Sperrmüll-Installation vorbei den Ausgang suchen, können sie etwas für die Geschmacksnerven tun. Möglich macht's Manfred Kirschner, der nicht nur auf einem selbstgebastelten Monitor sein „My silent Apfelmus-Video“ präsentiert. Gleich nebenan hat er die gesamte Wand mit „Eßbaren Gedichten und Zeichnungen, 1996, mit und ohne Vitamin C“ gepflastert. Und das sieht nett aus: In genau 180 Plastiktüten ist sogenanntes Eßpapier verschweißt, das gewöhnlich beim Backen von Lebkuchen und Oblaten verwendet wird.

Auf diese pastellfarbigen Felder hat der Künstler mit Speisefarbe Gesichter, Wohnwagen, Motorräder gezeichnet – und Gedichte geschrieben. Und nicht nur das. Nebenan steht ein Tisch mit Stickdecke. Dort hält ein Teller einige dieser Kunstköstlichkeiten bereit. So kann man dankenswerterweise mit einem süßlichen Hostien-Geschmack auf der Zunge in den Alltag zurückkehren. Sabine Komm

Bis 9. Februar in der Städt. Galerie im Buntentor, Buntentorsteinweg 112.

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