piwik no script img

Plastik statt Baumwolle

■ Auch umweltfreundliche Einkaufsbeutel sind nur bei Mehrfachnutzung ökologisch sinnvoll. Bayer setzt auf Tüten aus biologisch abbaubarem Kunststoff

„Jute statt Plastik“ – diesen Slogan kennt jedes Kind. Und eigentlich klingt es widersinnig, Baumwolltaschen und Plastiktüten hinsichtlich ihrer Umweltfreundlichkeit miteinander zu vergleichen. Denn was für Jute gilt, trifft doch sicher auch auf Baumwolle zu – könnte man jedenfalls annehmen, wenn da nicht eine Studie des Umweltbundesamtes (UBA) von 1988 wäre, in der angeblich ökologische Papiertragetaschen schlechter abschnitten als Plastikbeutel aus Polyethylen (PE). Dies freute nicht nur Ökomuffel, sondern auch die kunststofferzeugende Industrie. Überprüft wurden in der Studie Rohstoff und Energieeinsatz, die Umweltbelastungen bei Herstellung und Entsorgung und die Möglichkeiten der Wiederverwertung. Der so verschmähte Plastikbeutel wurde mit guten Noten bezüglich der „zur Herstellung nötigen Energie und der insgesamt geringeren Umweltbelastungen“ ausgezeichnet. Die Abfallmenge wird als das entscheidende Moment angesehen. „Eine nennenswerte Entlastung erfolgt nur dann, wenn man eine vielfach verwendbare Tragetasche verwendet, sei sie nun aus natürlichen Fasern wie Jute oder aus künstlichen wie Polyamid.“

Oder eben aus Baumwolle. Baumwolle sei schließlich ein nachwachsender Rohstoff, so die Befürworter. Dennoch: Soll nicht Raubbau an der Natur betrieben werden, ist die industriell verwertbare Baumwollmenge begrenzt. Udo Censkowsky vom Naturland- Verband bestätigt immerhin, daß der Abbau von Baumwolle insgesamt umweltfreundlicher geworden ist: „Der Einsatz von Pestiziden und der Anbau als Monokultur ist stark rückläufig.“

Darüber hinaus ist über die Baumwolltaschen wenig bekannt. Die neueste Studie stammt aus dem Jahre 1991 und bestätigt nur die Aussagen des UBA. Weder das Freiburger Ökoinstitut noch die Stiftung Warentest oder die Zeitschrift Ökotest haben jemals Baumwolltragetaschen hinsichtlich ihrer Umweltfreundlichkeit untersucht. Magere Auskünfte kann immerhin Katharina Ewald, Umweltreferentin bei der Karstadt AG, geben. Seit 1990 biete der Konzern die Baumwollbeutel an, rund sieben Millionen Stück seien bisher verkauft worden. Demgegenüber gingen allein 1995 rund 160 Millionen Plastiktaschen aus Recycling-PE über den Ladentisch. 1990 waren es noch 240 Millionen. Unklar ist, ob sich die Menge aufgrund der Einführung der Baumwolltaschen verringerte. „Die aus China importierte Baumwolle für die Herstellung der Taschen wird auf Schadstoffe geprüft“, so Ewald. Ob diese aus ökologischem Anbau stamme, wußte sie allerdings nicht zu sagen. Dennoch würden die Taschen gut von den Kunden angenommen. Udo Censkowsky beweifelt allerdings, daß die Taschen den sehr strengen Richtlinien des Arbeitskreises Naturtextilien standhalten würden.

Überhaupt sind Baumwollbeutel, die aus kontrolliert biologischem Anbau produziert werden, schwer zu finden. Nuri Kalay, Mitbesitzer des Luffa-Betriebes, ist einer der wenigen Hersteller ökologischer Baumwolltaschen. „Wir verarbeiten die Baumwolle in der Türkei nach strengen Richtlinien, ohne den Einsatz chemischer Mittel. Unsere Taschen werden mit Walnußschalen eingefärbt, nicht bedruckt.“

Diese Verarbeitung findet nur in geringer Stückzahl statt und hat ihren Preis. Bundesweit setzt Kaly jährlich 500 Beutel ab, bei einem Stückpreis von sieben bis neun Mark. Dafür halte sie bis zu 50 Kilo Gewicht aus, ein wahrer Herkules also im Vergleich zur Plastiktüte, die bei einem Volumen von zwölf Litern gerade einmal fünf Kilo aushält.

Doch auch die Kunststoffindustrie ruht sich nicht auf ihren Lorbeeren aus und sucht Alternativen zu den Polyethylentaschen. So stellte die Bayer AG 1995 auf der Kunststoffmesse einen biologisch abbaubaren Kunststoff vor, der ebenso tragestabil sein soll wie die PE-Taschen. Im Gegensatz zu diesen solle er aber später auf dem Hauskompost und in den gewerblichen Anlagen zerfallen, so Bayer- Sprecher Johann Thim.

Kurt Stepping, Chef des Verbandes Kunststofferzeugende Industrie, sieht das Produkt von Bayer jedoch kritisch. „Neu sind biologisch abbaubare Plastikstoffe nicht.“ Sie würden in der Medizin schon seit 15 Jahren verwendet, und in der Landwirtschaft kämen sie zum Beispiel als Erntefolien zum Einsatz. Abgesehen davon halte er biologisch abbaubare Plastiktüten für einen „Alptraum“. Die Plastiktragetaschen würden doch häufig als Mülltüten benutzt und verrotteten schon im Mülleimer. Auch halte er die Plastiktüten auf den Mülldeponien für sinnvoll, da sie das zur Müllverbrennung nötige Öl lieferten. „Für alle in Deutschland hergestellten Kunststoffe werden nur vier Prozent Rohöl verbraucht. Dessen Verbrauch für die Plastiktragetaschen liegt wahrscheinlich im Promillebereich“, so Stepping. Den Rest schlucken Autos und Ölfeueranlagen. Eva Blank

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen