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Mercedes ohne Katalysator

Mercedes-Benz-Chef Werner hat gedient, jetzt kann er gehen: Er brachte neue Ideen in das Unternehmen und führte es aus den roten Zahlen  ■ Von H.-J. Tenhagen

Berlin (taz) – Der neue Mercedes ist künftig ohne seinen Fahrer Helmut Werner unterwegs. Der sechzigjährige Automanager warf in der Auseinandersetzung mit Daimler-Konzernchef Jürgen Schrempp das Handtuch. Als zweiter Mann hinter Schrempp wollte der erfolgreiche Mercedes-Chef nicht arbeiten (siehe Kasten). Werner hatte in den vergangenen Jahren die Produktpalette der Autofirma Mercedes umgebaut, um neue Konsumentengruppen zu erschließen und vom Ruf des altertümlich-betulichen Unternehmens wegzukommen.

Für die neuen Produktreihen, zu denen die heute erfolgreiche C-Klasse, die für dieses Jahr geplante A-Klasse, der kleine Roadster SLK, aber auch Nikolas Hayeks Smart-Car gehören, war Werner nach Expertenmeinung der richtige Mann am richtigen Ort. Anfang der neunziger Jahre hatte der Autokonzern unter Werners Vorgänger Helmut Niefer mit den repräsentativen Limousinen der S-Klasse Schiffbruch erlitten. Er hatte die neuen Luxusschlitten in alter Manier noch länger und schwerer gemacht.

Doch die Konsumenten reagierten nicht noch enthusiastischer. Ganz im Gegenteil: Daß linke Spinner das massige Mobil als Dinosaurier verspotteten – viel Panzer, wenig Hirn –, hätte man in Stuttgart gerade noch verschmerzen können. Aber auch die Fachwelt und Branchenblätter wie Auto Motor Sport fanden den Mercedes-Zweitonner nicht ganz zeitgemäß. 1993, als Werner Mercerdes-Chef wurde, schrieben die Auto-und Lkw-Bauer 1,2 Milliarden Mark Verluste.

Werner brachte frischen Wind. Unkonventionelle Ideen hatten bei dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden des Reifenkonzerns Continental eine Chance. Werner ließ die reichlich vorhandenen kreativen Köpfe bei Mercedes- Benz rauchen und die Ergebnisse nicht in der Schublade verschwinden. Das für Mercedes Unglaubliche geschah: Der Kleinwagen Smart-Car, der VW-Chef Ferdinand Piäch zu popelig war, bekam bei Mercedes eine Chance. Vorbehalte gegen die Zusammenarbeit mit Nikolas Hayek, dem Schweizer Swatch-Uhren-Erfinder, überwand Werner mit einer Doppelstrategie. Für den Smart schuf er eine neue Firma, die Micro-Compact Car MCC. Der Smart wird in einer neu konzipierten Fabrik produziert. Den Technikern im Hause Mercedes-Benz konnte man dies als Innovation in der Produktion verkaufen.

Soviel Innovation war auch möglich, weil Werner Erfolg hatte. Er führte den Autobauer zurück in die Gewinnzone. Die war dringend nötig, nachdem der Umbau der Konzernmutter Daimler-Benz in einen Technologiekonzern zum teuren Abenteuer geworden war. Im vergangenen Jahr schaffte es der ehemalige Reifenmanager sogar, den Mercedes-Umsatz von 72 auf 77 Milliarden Mark heraufzuschrauben, eine Rekordzahl von Autos und einen Gewinn von geschätzten 1,6 Milliarden Mark herauszufahren.

Beobachter der Autoindustrie nehmen an, daß der nun unumschränkte Daimler-Chef Jürgen Schrempp auch ohne Werner die gegenwärtige Produktoffensive fortsetzen wird. Die neuen, kleineren Modelle werden wohl kommen, der Produktionsverbund zwischen alten inländischen und neuen ausländischen Autofabriken auch. Und von der geplanten Zahl von einer Million neuer Fahrzeuge mit dem Stern wird Schrempp nicht abrücken.

Fragezeichen gibt es eher bei der langfristigen Strategie. „Um neue Ideen in einem solchen Konzern durchzusetzen, braucht man an der Spitze Innovative wie Werner. „Schrempp denkt zu kurzfristig, der hat keine Visionen“, sagt Autospezialist Andreas Knie vom Wissenschaftzentrum Berlin.

Mercerdes-Chef Werner als Katalysator. Vielleicht auch deswegen hatte das US-Wirtschaftsblatt Business Week Werner erst in der vergangenen Woche unter die 25 erfolgreichsten Manager weltweit gekürt – als einzigen Deutschen.

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