: Verfälschung oder Verleumdung?
■ Verteidigung im Lübecker Brandprozeß greift Staatsanwalt an
Im Prozeß um die Brandkatastrophe in dem Lübecker Flüchtlingsheim hat die Verteidigung dem Staatsanwalt Michael Böckenhauer gestern vorgeworfen, durch die Aussagen des Zeugen Gustave Sossou am vorigen Mittwoch „schwer belastet“ zu sein. Aus Sossous Vernehmung ergebe sich, daß der Inhalt des ersten Haftbefehlsantrages Böckenhauers gegen den Angeklagten Safwan Eid vom 20. Januar vergangenen Jahres „eine Verfälschung des sich aus den Ermittlungsakten ergebenden Sachverhalts“ gewesen sei, erklärte Eids Verteidigerin Gabriele Heinecke gestern vor dem Lübecker Landgericht.
Die Staatsanwaltschaft wirft Safwan Eid vor, in der Nacht zum 18. Januar 1996 das Feuer in dem Lübecker Flüchtlingsheim gelegt zu haben, durch das zehn Menschen starben und 38 zum Teil schwer verletzt wurden.
Gustave Sossou sei laut Böckenhauers erstem Haftbefehlsantrag vom 20. Januar 1996 der „Familienvater“ gewesen, mit dem Safwan Eid Streit gehabt haben und vor dessen Wohnungstür Eid Benzin entzündet haben soll. Sossou habe jedoch niemals eine entsprechende Aussage vor der Polizei gemacht. Außerdem lasse sich in dem polizeilichen Protokoll auch keine Aussage Sossous finden, die Safwan Eid beschuldige, das Feuer gelegt zu haben.
Aus diesem Widerspruch zwischen Sossous tatsächlicher Aussage vor der Polizei, die der Zeuge vor Gericht wiederholt hatte, und dem Inhalt des Haftbefehlsantrages lasse sich der Schluß ziehen, „daß Staatswanwalt Dr. Böckenhauer selbst das Erfinden einer Geschichte – von der das Gegenteil bereits in den Akten niedergeschrieben war – recht war, um Eid zum Beschuldigten zu machen“, behauptete Heinecke. „Ohne die Verfälschung des Sachverhalts im Haftbefehlsantrag vom 20.01.1996 wäre ganz offensichtlich kein Haftbefehl gegen Safwan Eid erlassen worden.“
Die Behauptungen der Verteidiung schlügen „dem Faß den Boden aus“, antwortete Staatsanwalt Böckenhauer. Die Rechtsanwältinnen unterstellten, „daß ich eine strafbare Handlung begangen habe“. Das erfülle einen „Anfangsverdacht der Verleumdung“ und werde Folgen haben, erklärte Böckenhauer.
Christian Eggers
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen