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Waigels Coup schmeckt dem Nachwuchs nicht

■ CDU-Landespolitiker spüren, daß die Steuerreform ihren Wählern nicht gefällt

Ausgerechnet ein CDU-Mann hat die Diskussion über die Steuerreform und insbesondere die Verwendung der Einnahmen aus der geplanten Mehrwertsteuererhöhung neu entflammt. Drastischer als mit seiner Forderung, Finanzminister Waigel wegen dessen unglücklichen Agierens bei der Steuerreform zu entlassen, hätte der niedersächsische CDU-Vorsitzende Christian Wulff das Thema nicht in den Blickpunkt rücken können. Daß es nicht nur um einen profilierungssüchtigen Landespolitiker geht, zeigt der Beistand durch die CDU-Landesvorsitzenden aus Hessen, Roland Koch, und den Saarländer Peter Müller.

An der Basis scheinen die CDU-Landespolitiker zu bemerken, daß die geplante Steuerreform nicht gerade gut bei ihren Wählern ankommt. Die Warnung der Oppositionsparteien, daß die Bevölkerung durch einen erhöhten Mehrwertsteuersatz die Senkung des Spitzensteuersatzes finanzieren soll, verfängt.

Möglicherweise kommt durch die Kritik an Waigel doch noch Bewegung in die Mehrwertsteuerdiskussion, auch wenn nur zwei Tage Zeit bleiben, bis die Waigel-Kommission die Eckdaten der Steuerreform vorstellen will. Die Spitzenpolitiker von Union und FDP bemühten sich jedenfalls gestern, den Eindruck zu erwecken, daß es zur Mehrwertsteuer noch keine Festlegung gebe. Und Waigel betonte nach einer Sitzung des CSUPräsidiums in München, daß die Mehrwertsteuer nur eine Restgröße zur Finanzierung der Steuerreform sei.

Doch was heißt das? Sind 15 Milliarden eine Restgröße oder sogar 30 Milliarden? Bisher galt es in der Union als ausgemacht, daß die Steuerreform eine Bruttoentlastung von bis zu 100 Milliarden Mark bringen soll. 50 Milliarden davon sollen durch die Streichung von Steuervergünstigungen gegenfinanziert werden. Um 20 bis 30 Milliarden soll der Steuerzahler entlastet werden. Bleibt eine Lücke von 30 Milliarden Mark, die angeblich durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer geschlossen werden könnte.

Doch gerade um die Verwendung der Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung gibt es innerhalb der Union Streit. Einige Politiker, wozu auch CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble zählt, wollen wenigstens mit der Hälfte der Einnahmen die Lohnnebenkosten senken, um den Arbeitgebern einen Anreiz für mehr Einstellungen zu geben. So ist daran gedacht, einige versicherungsfremde Leistungen, wie die Finanzierung von Fortbildung und Umschulung für Arbeitslose, künftig durch Steuern statt durch Beiträge der Versicherten zu bezahlen. Dies fordern insbesondere SPD und Grüne.

Ungerührt macht nur die FDP weiterhin die schönsten Versprechungen. Als sei nichts geschehen, äußerte sich gestern Generalsekretär Guido Westerwelle optimistisch, daß die FDP doch ihre niedrigen Steuersätze von 15, 25 und 35 Prozent erreichen könne. Darüber, wie dies gerade angesichts der jüngsten Debatte zu finanzieren sei, verlor der Generalsekretär kein Wort. Markus Franz, Bonn

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