Ladendiebstahl ausgeschlossen

■ Der Knacki als Kunde: Häftlinge klagen über "Wucher-Preise" hinter Gittern: "Preistreiberei ohne Konkurrenz". Händler: Preise nicht höher als in Charlottenburg

Für ihre Untaten haben die Häftlinge im Gefängnis bereits bezahlt. Für Monate oder Jahre schließen sich hinter ihnen schwere Stahltore. Doch obwohl der Staat für ihre Verpflegung aufkommt, müssen sie auch im Knast weiter zahlen: Für die kleinen Dinge des täglichen Bedarfs, wie etwa Rasierwasser, Schokolade, Obst oder Seife. „Und zwar viel zuviel“, klagt Manfred Kötterheinrich, einer der „schweren Jungs“ in der Justizvollzugsanstalt Tegel. Sein Vorwurf: Die Lieferanten mißbrauchten ihre Monopolstellung bei der Knast-Versorgung und verlangten Wucherpreise von den Kunden hinter Gittern.

„Ohne Konkurrenz hat die Preistreiberei keine Grenzen“, moniert auch Tegel-Häftling Siegfried Sünkel. Die empfohlenen Verkaufspreise würden im Alltag der Justizvollzugsanstalt um ein Fünftel überschritten, schreibt er in der neuesten Ausgabe der Anstaltszeitung Lichtblick. Diese Preispolitik sei unmoralisch. „Wir haben mit unseren Sklavenlöhnen keine Möglichkeit, uns aus dem bundesweiten Warenangebot zu bedienen.“ Zweites Problem: „Gefangene haben keine Möglichkeit, das ohnehin stark begrenzte Angebot vor der Bestellung zu sehen.“ Als Folge ergäben sich oft Schwierigkeiten mit der Ware: „Das Haltbarkeitsdatum ist oft schon überschritten, die Qualität ganz schlecht.“

Laut Auskunft der Justizverwaltung können die Gefangenen einmal monatlich anhand einer Liste „Waren des täglichen Bedarfs“ bestellen. Der dafür anfallende Betrag wird von ihrem „Hauskonto“ abgebucht, das nicht gerade üppig gefüllt ist: Die Stundenlöhne für Arbeiten in den Gefängnissen bewegen sich zwischen 7,69 und 12,81 Mark. „Zudem wurde das Weihnachtsgeld gestrichen“, kritisiert Sünkel. „Wir verdienen monatlich um die 200 Mark“, ergänzt Kötterheinrich.

Eingeschossen haben sich die rund 3.000 Knastis auf den Einzelhändler Klaus König. Seinen Werbeslogan „Bei König ist der Kunde König“ empfinden sie als zynisch. „Er kann doch die Waren viel billiger anbieten“, meint Sünkel. Sein Argument: Der Lieferant brauche keinen „Firmensitz in bester Lage“ und kein Fachpersonal. Auch könne er bei der „treuen Stammkundschaft“ auf teure Werbung verzichten. „Und Ladendiebstahl kommt auch nicht in Frage.“

„Ich bin wirklich fuchsteufelswild“, ärgert sich der so gescholtene Geschäftsmann über die Kritik. „Meine Preise sind im Durchschnitt nicht höher als in meinem Supermarkt in Charlottenburg.“ König beliefert seit 18 Jahren die Berliner Gefängnisse, inzwischen auch zwei in Brandenburg. Jedes Jahr muß er sich einer Ausschreibung der Senatsverwaltung für Justiz stellen.

Rund 600 Artikel fänden sich auf seiner Liste, weitere 400 könne er bei Bedarf zusätzlich besorgen, berichtet der Händler. „Und solche Sonderwünsche kommen ständig.“ Etwa Rasierwasser, „das nicht stinkt“, oder neuerdings Aufbaupulver für Kraftsportler. Der Aufwand sei riesig: „Für jeden Häftling packen wir ein extra Paket, das auch noch genau nummeriert auf den Laster gepackt werden muß.“ Zehn seiner 20 Mitarbeiter seien damit beschäftigt. „Außerdem hat jeder Gefangene Umtauschrecht.“

Alternativen zu dem „Bestellservice“ sieht auch die Justizverwaltung nicht. „Wir können schließlich keinen Supermarkt in der Haftanstalt eröffnen“, sagt Sprecherin Corinna Bischoff. „Das wäre viel zu teuer.“ Außer König interessierten sich kaum Firmen für Kunden wie Sünkel oder Kötterheinrich. Stefan Kruse, dpa