Lohndrücker bei Conti

Continental-Reifen gründet Arbeitgeberverband, um die Löhne um zehn Prozent zu kürzen  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Die Drohung, mit der die Continental AG der IG Chemie eine Lohnsenkung abpressen will, trägt einen nicht gerade eingängigen Namen: „Verband der Kunststoffverarbeitenden, Gummi- und Chemiefaserindustrie Norddeutschland“. So heißt die neue Arbeitgeberorganisation, der sich Conti anschließen will, falls auf anderem Wege eine Senkung der Löhne der 19.000 inländischen Conti-Beschäftigten nicht zu erreichen ist.

Hintergrund: Heute sitzen in Wiesbaden die IG Chemie und der Bundesarbeitgeberverband Chemie zusammen, um über Spartentarifverträge für andere Teile der Chemieindustrie zu verhandeln. Es geht um die krisengeschüttelte kunststoffverarbeitende und die Chemiefaserindustrie. In Wiesbaden wird um die Modalitäten einer zehnprozentigen Lohnsenkung für diese beiden Chemiebereiche verhandelt. Conti möchte ebenfalls in den Genuß dieser Regelung kommen, aber die Tarife der Kautschukindustrie, deren wichtigster Vertreter der hannoversche Reifenhersteller ist, stehen in Wiesbaden nicht zur Debatte. Und wenn es nach der Gewerkschaft geht, soll das auch so bleiben.

Dieser Konstellation verdankt der neue norddeutsche Arbeitgeberverband, der die Conti, die Kunststoffverarbeiter und die Chemiefaserindustrie in einer Tarifgemeinschaft vereinigen soll, seine Existenz. „Am 7. Januar haben wir den neuen Verband zusammen mit 26 anderen Firmen aus dem Norddeutschen Raum gegründet“, sagt Conti-Pressesprecher Siegfried Aberle. Dieser sei bisher allerdings noch nicht im Vereinsregister eingetragen. „Ob der Registereintrag erfolgt und ob wir in den Parallelverband übertreten, hängt vom Ausgang der Gespräche mit der IG Chemie ab.“

Nach Angaben Aberles will der Reifenhersteller die zehnprozentige Lohnsenkung schrittweise – „nicht auf einen Schlag für alle Beschäftigten“ – durchsetzen. Sie soll „zunächst für neu einzustellende Mitarbeiter unmittelbar wirken“. Mit alten Mitarbeitern will der Reifenhersteller „Übergangsregelungen“ vereinbaren.

Bisher lehnt die sonst so kompromißbereite IG Chemie jedwede Lohnsenkung bei der Continental AG strikt ab. Während sich die Chemiefaserindustrie, mit der in Wiesbaden verhandelt werde, seit Jahren in einer strukturellen Krise befinde, könne das von Conti wirklich nicht gesagt werden, begründet Gewerkschaftssprecher Denecke die Härte. Conti habe im vergangenen Jahr 155 Millionen Mark Gewinn gemacht. Da vermag Denecke „beim besten Willen keine wirtschaftliche Notlage zu erkennen“. Auch bei einem Wechsel des Arbeitgeberverbands sei Conti noch bis 1998 an den Chemietarifvertrag gebunden, und dieser wirke auch noch nach dem Auslaufen fort. Außerdem, so droht der Gewerkschaftssprecher, werde dem Reifenhersteller nach einem Verbandswechsel automatisch die Rolle der tarifpolitischen Speerspitze zufallen. Continental hat schon einmal, im Jahr 1985, den Arbeitgeberverband gewechselt. Seinerzeit trat der Konzern aus dem Kautschuk- in den Chemiearbeitgeberverband über, in dem damals das Lohnniveau noch niedriger lag.

Diesmal wird der Angriff auf die Löhne mit dem Hinweis auf zu niedrige Gewinne begründet. „Die Großen der Chemiebranche, wie Bayer oder Hoechst, erzielen Renditen von zehn Prozent, bei uns sind es lediglich zwei bis zweieinhalb Prozent“, sagt Aberle. Und das sei eben „absolut unzureichend“.