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Die Angst der Bischöfe vor den Homos

In der katholischen Kirche bekennen sich immer mehr schwule Priester und Theologen zu ihrer Sexualität. In Gemeinden finden sie Unterstützung – auch gegen die unbarmherzige Amtskirche  ■ Von Thomas Laif

Wiesbaden (taz) – 20 Prozent der katholischen Priester sind homosexuell. Sagt der Augsburger Pastoraltheologe Hanspeter Heinz. Damit brachte er die halbe Kurie in Wallung. Doch dem honorigen Professor kam es bei seiner Analyse kaum darauf an, in die Schlagzeilen zu kommen. Vielmehr will er, wie viele andere Priester und Schwulengruppen auch, das Schweigen der katholischen Kirche zum Thema Homosexualität brechen. Und: die Bischöfe sollen endlich Farbe bekennen.

Wie tief die Angst vor einer offenen Auseinandersetzung mit dem Thema bei den kirchlichen Würdenträgern ist, beweist die Reaktion ihrer theologischen Scharfmacher. Erzbischof Johannes Dyba aus Fulda witterte in der Diskussion um „homosexuelle Priester“ die „publikumsträchtige Besudelung des priesterlichen Standes“. Aber er ging noch weiter: Wenn heterosexuelle Priester einmal am Zölibat scheiterten, dann „landeten“ sie beim Standesamt, homosexuelle Priester hingegen wegen „des oft verletzten Jugendschutzes meist beim Staatsanwalt“.

Auffällig an dieser Diffamierung seiner Priesterkollegen im Bonifatiusboten war wiederum das Schweigen der anderen Bischöfe. Selbst die wenigen Liberalen in der Kirche schwiegen beredt, obwohl gerade sie doch bestens vertraut sind mit den Nöten ihrer schwulen Glaubensbrüder. Denn viele Priester outen sich vertrauensvoll bei ihren Bischöfen, werden sogar trotz ihres Bekenntnisses während der Ausbildung geweiht. Zweimal schon haben die deutschen Bischöfe das Thema in ihren Konferenzen debattiert. Therapeuten und Pastoraltheologen versorgten sie dafür mit modernen Erkenntnissen; sie konnten sich sogar auf einschlägige Publikationen aus kircheneigenen Verlagen berufen.

Schweigen einerseits und homophobe Reaktionen andererseits sind aber nur zwei Seiten einer Medaille. Die Amtskirche müht sich eisern, das Thema Homosexualität für nichtig zu erklären. Aber sie steht unter dem Druck des wahren Lebens. Aus dem Vatikan heißt es nur, Homosexualität sei „abwegig und unmoralisch“.

Genau damit finden katholische Würdenträger nicht einmal mehr bei Konservativen Gehör. Auch mit der abstrusen Idee, homosexuelle Priester könnten umerzogen werden, kann heute kein Bischof mehr vor einer aufgeklärten Gemeinde bestehen. Denn die Toleranz der Gemeinden ist größer, als die Amtshierarchieen wahrhaben wollen.

Auch die betroffenen Priester lassen sich nicht länger diskriminieren. Sie spüren, daß sie Gott und ihren Beruf lieben – und auch homosexuell leben wollen. In mehr als einem Dutzend Bistümer treffen sich regelmäßig schwule Priestergruppen. Dort können sie sich Hilfe geben und ein neues Selbstbewußtsein entwickeln.

Noch verweigert die Nomenklatura offizielle Kontakte mit den Sprechern dieser Gruppe. Briefe lassen sie unbeantwortet. Viele Praktiker in der Priesterausbildung drängen hinter den Kulissen, diese Kontaktsperre aufzugeben. Denn die Debatte über Homosexualität läßt sich nicht mehr länger totschweigen. Berufsverbote, Schweigekartelle und drakonische Strafen können nicht verbieten, was sich nicht verbieten läßt. Inzwischen wittern auch die Initiatoren des mittlerweile fast zum Erliegen gekommenen Kirchenvolksbegehrens wieder Morgenluft. Denn mit der Frage der Homosexualität stehen nicht nur die Sexualdogmen der Kirche zur Disposition. Angesprochen ist zugleich die fehlende innere Demokratie der Amtskirche.

Und das wissen die Bischöfe genau. Sie haben Angst vor der öffentlichen Lawine, die mit einer Diskussion losgetreten werden könnte. Sie schweigen, weil sie sich an das Prinzip der bischöflichen Einheit gebunden fühlen. Dabei überlassen sie jedoch das Feld den Dybas und Ratzingers, deren Äußerungen über Homosexuelle nichts als „praktizierter Unglaube“ sind, wie der Trierer Pastoralpsychologe Alwin Hammers bemerkt.

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