: Wehrmacht ist Männersache
■ Rathaus-„Fachtagung“ zur Wehrmachtsausstellung auf der Suche nach einem „tragfähigen Kom-promiß“ / Besetzung: einen links, einen rechts, ein Drittel Militärs, nur eine Frau – und keine Opfer
m Montag, dem 24. Februar, ist es soweit: Die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht“ wird im Rathaus eröffnet. Die Eröffnungsrede hält der Oberbürgermeister. Nur heißt der nicht Henning Scherf sondern Christian Ude, letzterer wie ersterer Mitglied der SPD. Und das Rathaus ist auch nicht das bremische sondern das Münchner. Trotz wüster Beschimpfungen im Vorfeld – auch durch die CSU-Stadtratsfraktion – hat sich der OB der bayrischen Landeshauptstadt entschlossen, die Eröffnungsrede zu halten. Erst durch die Diskussion über die Ausstellung sei ihm richtig klar geworden, wie nötig sie sei, berichtete die Südeutsche Zeitung am Montag.
So weit ist Bremen längst noch nicht. Just zwei Tage nach der Münchner Eröffnung sollen im Bremer Rathaus 30 „Experten“ zu einer Fachtagung zusammenkommen. 200 interessierte BürgerInnen dürfen still dabeisitzen. Die Veranstaltung soll in der heißdiskutierten Frage, ob die Ausstellung im Bremer Rathaus gezeigt werden soll, oder nicht, eine „Entscheidungshilfe“ geben, schreibt Henning Scherf in der Einladung. Eine Entscheidungshilfe, „die es Bernd Neumann und mir erlauben soll, einen für beide Seiten tragbaren Kompromiß zu finden.“ Da will eine Teilnehmerin schon mal nicht mitmachen. Anfang der Woche hat Henning Scherf die Absage der grünen Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck erhalten – höflich, aber bestimmt und mit einer ganzen Reihe von Argumenten. Zum Beispiel koalitionspolitische: „Ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, die prekäre Lage lösen zu helfen, in der Sie sich als Mitglied einer großen Koalition befinden, deren einer Partner diesem schmerzhaften Teil der deutschen Geschichte den Zugang in die Mitte der Stadt verwehren möchte.“ Und damit wäre die 30er-Runde nicht nur zum 29er-Kreis, sondern auch zum reinen Männerclub geschrumpft. Becksches Ärgernis Nummer zwei: „Sie scheinen das Militär als eine Angelegenheit der Männer anzusehen, über das auch nur Männer nachzudenken haben.“
Eigentlich hatte die Landeszentrale für politische Bildung eine Tagung geplant. Doch nachdem CDU-Chef Bernd Neumann zum Sturm gegen die Ausstellung geblasen hatte, hatte das Rathaus die Planungen an sich gezogen. Senatssprecher Klaus Sondergeld und der CDU-Bildungspolitiker Klaus Bürger, der zudem im Beirat der Landeszentrale sitzt, hatten eine Liste zusammengestellt – die jetzt für heftigen Unmut sorgt. Nach dem Prinzip „einen rechts, einen links“ sollen nun erklärte Gegner der Ausstellung auf erklärte Befürworter treffen.
Die Liste reicht vom Militärexperten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Günther Gillessen, bis zu Jan Philipp Reemtsma. Dessen Ausstellung hatte Gillessen in der FAZ vorgeworfen, die habe „nur wenig mit Wissenschaft zu tun und viel mit pamphletischer Collage. (...) So verkommt nicht nur Geschichte, sondern auch Moral.“ Und der bekannte Militärhistoriker Manfred Messerschmidt, der seit Jahren für die Rehabilitierung der Wehrmachts-Deserteure kämpft, wird auf General a.D. Werner von Scheven treffen. Auf jenen von Scheven, der 1992 derart den Unmut der SPD-Bundestagsfraktion erregt hatte, daß die von Schevens Ablösung als Befehlshaber des Territorialkommandos Ost gefordert hatte. Grund: Von Scheven hatte eine Ausstellung über Kurt Tucholsky als „Relikt aus dem antikapitalistischen Kampf“ bezeichnet und verlangt, „das Machwerk“ müsse „auf dem Müllhaufen der Geschichte verschwinden“.
Politiker, Historiker, Militärs, das sind die drei Gruppen, die die Einladungsliste ausmachen – gleich ein doppeltes Ärgernis für die Grüne Marieluise Beck. Allein sieben Generäle a.D. sind geladen, dazu die beiden Offiziere a.D., die CDU-Senatoren Schulte und Perschau. Ob die Ausstellung am besten von Männern bewertet werden könne, die dem militärischen Apparat so nahe stehen, fragt nun die Grüne. Und vor allem: „Gänzlich fehlen in Ihrer Einladungsliste die Vertreter der Opfer, seien es die jüdische Gemeinde, die Deutsch Israelische Gesellschaft, der Verein ,Erinnern für die Zukunft'.“
Dabei passe die Zusammenstellung ganz ins Programm der Tagung, so Marieluise Beck. Nach einem Vortrag und vor einem abschließenden Plenum sollen sich die Teilnehmer nämlich in zwei Arbeitsgruppen unterhalten. Vorläufiges Thema Nummer eins: „Wird die Ausstellung der Wehrmacht und ihren Soldaten gerecht?“ Keine Frage, ob die Ausstellung den Opfern gerecht wird, kritisiert die Abgeordnete. Nummer zwei wird General a.D. Wolfgang Altenburg moderieren. Arbeitstitel: „Notwendigkeit und Legitimation der Landesverteidigung“. Das Thema verwirrt die Grüne nun vollständig. „Ich gehe davon aus, daß sich diese Fragestellung nicht auf den historischen Zeitraum, den die Ausstellung umfaßt, beziehen soll, denn daß es sich bei dem Angriff auf Polen, das Baltikum und Rußland um einen Angriffskrieg gehandelt hat, dürfte selbst bei Ihrem Koalitionspartner nicht in Frage stehen.“ Und die Bundeswehr sei nicht Gegenstand der Ausstellung.
Wann entschieden wird, ob die Ausstellung nun ins Rathaus kommt, oder nicht, das ist noch unklar. CDU-Chef Bernd Neumann jedenfalls hat für Anfang März eine Sitzung des Koalitionsausschusses angemeldet. J.G.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen