: SPD und Grüne gegen Steuerreform
In der Sache sind sie sich einig: Kohls Pläne sind unsozial. Unterschiede ergeben sich nur bei der Formulierung von Gegenkonzepten. Keine gemeinsame Abwehrstrategie ■ Aus Bonn Markus Franz
SPD und Bündnisgrüne ziehen bei ihrer Ablehnung der Steuerreformpläne nicht an einem Strang. Während der Parteisprecher der Bündnisgrünen, Jürgen Trittin, eine „Offerte zur Zusammenarbeit“ an die SPD richtete, schlug der SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping gestern lediglich ein Spitzengespräch zwischen SPD- Parteichef Oskar Lafontaine und Bundeskanzler Helmut Kohl vor. Dabei sind die Gemeinsamkeiten der Oppositionsparteien bei der Kritik an der Steuerreform nahezu deckungsgleich. Unterschiede ergeben sich aber bei der Formulierung von Gegenkonzepten.
Beide Parteien wollen die Steuerreform schon 1998 in Kraft treten lassen. Die Parteisprecherin der Bündnisgrünen, Gunda Röstel, schränkte gestern allerdings ein: „Das setzt natürlich voraus, daß wir unsere Vorschläge durchsetzen können.“ Scharping dagegen pochte auf eine Einigung 1998, obwohl er zugleich deutlich machte, daß die SPD die Reformpläne der Koalition rigoros ablehnt. Auf die Frage eines Journalisten, warum er ein Spitzengespräch dann überhaupt für aussichtsreich halte, antwortete er: „Ich halte nicht alle Vorschläge für völlig verrückt.“ FDP-Parteichef Wolfgang Gerhardt, der vor kurzem selbst für das Datum 1998 eingetreten war, ulkte: „Die SPD weiß, was sie nicht will, und das will sie bereits 1998.“
SPD und Grüne sind sich in ihrer Kritik einig, daß die Steuerreform die Reichen bevorteilt, die Familie vernachlässigt, keine Wachstumsanreize schafft und zudem unseriös ist, weil 44 Milliarden Mark nicht gegenfinanziert sind. Die SPD will vor allem die „Leistungsträger der Gesellschaft, die Handwerker und Facharbeiter“, stärker entlasten. Dabei rückt sie offenbar von der Vorstellung einer aufkommensneutralen Steuerreform ab, an der die Grünen weiterhin festhalten. Rudolf Scharping begründete die Möglichkeit einer Nettoentlastung damit, daß sich eine Steuerreform durch die positiven Auswirkungen auf die Nachfrage teilweise selbst finanziere.
Beide Parteien treten für ein höheres steuerfreies Existenzminimum als 1.300 Mark monatlich ein. Die Bündnisgrünen legen sich dabei auf 1.500 Mark fest. Während die SPD ihren Willen bekundet, mehr für die Familien zu tun, schlagen die Grünen konkret ein Kindergeld von 300 Mark vor. Die Besteuerung von Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit lehnt die SPD ab. Die Grünen wollen dagegen alle Einkunftsarten gleich besteuern, also auch die Nachtarbeitszuschläge. Anfang April wollen sie ihr Konzept vorlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen