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Mission impossible

■ Die Senioren-Partei „Die Grauen“ auf der Suche nach neuen Mitgliedern in Bremen - Newcomern winkt eine steile Karriere: als BundestagskandidatIn

„Man muß nur warten, daß die Leute einen ansprechen“, sagt Günther Flasch, Mitglied des Bundesvorstandes der „Grauen“, also wartet er. Das ganze Jahr hindurch sitzt der 66jährige Rentner aus Moers bei Wind und Wetter alleine in seinem Kleinbus auf einem zentralen Platz in irgendeiner deutschen Großstadt. Dort wartet er stoisch darauf, daß er angesprochen wird: von interessierten Passanten, die er zur Mitarbeit bei der Seniorenpartei „Die Grauen“ bewegen will. Noch bis zum 5. Februar will er in Bremen auf dem Bahnhofsvorplatz ausharren, um für seine Partei zu werben.

Die meisten Menschen, die den Bahnhofsvorplatz an diesem Morgen überqueren, sind allerdings in Eile. Sie würdigen den Kleinbus keines Blickes und hasten mit schnellen Schritten vorbei, um mit einem beherzten Sprung aufs Trittbrett in letzter Sekunde den Bus oder die Straßenbahn zu erwischen. Nur wenige nehmen sich die Zeit, um mit Flasch ins Gespräch zu kommen. „Politikverdrossenheit ist eben auch ein Problem bei den Alten“, meint er. Dabei wirbt er mit Parolen, die wegen ihrer Schlichtheit durchaus Anklang finden könnten. Mit Forderungen wie „Schluß mit Sozialabbau, sofortige Neuwahlen und anständige Leute ins Parlament“ wollen die „Grauen“ neue Mitglieder für die Partei in Bremen ködern. Rechtzeitig Zur Bundestagswahl wollen sie den Bremer Landesverband der „Grauen“ wieder aufzubauen. Deshalb stellt Flasch den neuen Mitgliedern eine steile Karriere in Aussicht: „Eine geeignete Persönlichkeit kann bei uns Bundestagskandidat werden“, verspricht er.

Auch die Bremer „Grauen“ – nach eigenen Angaben gibt es 80 Mitglieder in Bremen – haben offenbar mit dem Phänomen der Politikverdrossenheit zu kämpfen. Jedenfalls erhält Herr Flasch von ihnen keine Unterstützung bei seiner Arbeit. „Das hilft mir auch gar nicht. Die würden doch die Leute mit Interesse sowieso nur abschrecken“, tröstet er sich.

Auf Ansprechpartner seiner Partei in Bremen kann der einsame Bundesfunktionär auch nicht verweisen. „Wer sich für uns interessiert, kann gleich bei mir Mitglied werden. Der hat ja dann auch meine Adresse und kann sich mit mir in Moers in Verbindung setzen“, antwortet er auf Nachfrage.

Nachdem die Bremer „Grauen“ bei den letzten Wahlen zur Bürgerschaft mit 0,7% nicht einmal halb so viele Stimmen erhielt wie 1991, trat der Landesvorstand in Bremen resigniert zurück. Besonders kritisierten die „Grauen“ aus Bremen damals die mangelnde Unterstützung durch ihren Bundesvorstand. Auch der Uni-Professor Rudoplph Bauer, der Bremer Spitzenkandidat der „Grauen“ zu den Bürgerschafts wahlen 1991, hat sich schon vor einigen Jahren von der Senioren-Partei zurückgezogen.

Schon im vergangenen Jahr hat Flasch in Mission der Bundeszentrale deshalb versucht, die „Grauen“ in Bremen wiederaufzubauen. Tatsächlich hat er damals mit neugewonnenen Mitgliedern in Bremen einen Vorstand gründen können. Der allerdings hat seine Arbeit nie aufgenommen. Und so sitzt Herr Flasch jetzt wieder in seinem Wagen und trotzt der Kälte in der Hoffnung, auf der Straße Mitglieder für einen Neuanfang der „Grauen“ in Bremen zu finden. F.P.

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