■ Die neue Visumpflicht für ausländische Kinder hat eine bunte Koalition geschaffen. Türkische Gruppen, Bündnisgrüne und einige junge CDU-Abgeordnete wollen die Eilverordnung kippen. In der Unionsfraktion ist ein heftiger Streit entbrannt
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Innenminister Manfred Kanther hat dem Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir einen Traum erfüllt. Niemals, so sagt der Bündnisgrüne aus dem Schwäbischen, habe er sich vorstellen können, daß miteinander verfeindete türkische und deutsche Gruppen an einem Strang ziehen könnten. Das ist der Fall, seitdem Kanther per Eilverordnung die Einreise für Kinder unter 16 Jahren aus der Türkei, Marokko, Tunesien und Exjugoslawien visumpflichtig gemacht hat.

Fast wäre es am Mittwoch sogar zu einer schwarz-grünen Pressekonferenz gegen die Verordnung gekommen. Der einwanderungspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Cem Özdemir, hatte eine Veranstaltung mit den sogenannten „Jungen Wilden“ um den CDU-Abgeordneten Peter Altmaier geplant.

Letzlich scheiterte das Vorhaben wohl aus taktischen Gründen. Die CDU-Youngster fürchten offenbar, ihre ohnehin schon emotional aufgeladene Fraktion durch eine solche Aktion unnötig vor den Kopf zu stoßen und dadurch die Chancen auf einen Verhandlungserfolg zu mindern.

Schon vor einigen Tagen hatten die CDU-Abweichler ihre Partei brüskiert. Nachdem Manfred Kanther seine Eilverordnung am 15. Januar durchgebracht hatte, veröffentlichten zehn Abgeordnete der Union eine Erklärung, in der sie die Einführung der Genehmigungspflicht in scharfer Form ablehnten. Wieder einmal war die Initiative von den jungen Abgeordneten Altmaier, Norbert Röttgen und Eckart von Klaeden ausgegangen, die der Union seit Monaten eine Debatte über die automatische Einbürgerung von in Deutschland geborenen Kindern aufzwingen.

Auf einer Fraktionssitzung am Dienstag abend richtete sich die Stimmung überwiegend gegen die Abweichler. Die Äußerung des CSU-Hardliners Wolfgang Zeitlmann, die Gruppe um Altmaier seien „Schlappis, die uns ins Kreuz fallen“, erhielt starken Beifall. Viele Abgeordnete der Union freuen sich offenbar über jeden Denkzettel für die „Jungen Wilden“.

Innenminister Kanther zeigte keine Kompromißbereitschaft, von seiner Verordnung abzurücken. Kanther hatte seine Verordnung damit begründet, der zunehmenden Einwanderung von im Ausland lebenden Kindern aus ehemaligen Anwerbestaaten einen Riegel vorschieben zu wollen. Es habe, faßt ein Teilnehmer der Fraktionssitzung die Stimmung zusammen, nach einer „endgültigen“ Niederlage für die Kanther-Gegner ausgesehen. Eine Entscheidung wurde aber vertagt. CDU- Fraktionschef Wolfgang Schäuble, so hieß es, habe eine neue Gesprächsrunde angekündigt.

Optimistisch sieht hingegen der Bündnisgrüne Cem Özdemir die Meinungsbildung bei der CDU. Er erlebe immer häufiger, daß sich Unionsabgeordnete an ihn wendeten und sagten: „So haben wir das nicht gewollt.“ Markus Franz, Bonn