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Irland und seine vielen Legenden

Allgemeine Reisepublikationen zu Irland überschwemmen den Markt. Wir stellen drei Bücher mit thematischer oder regionaler Begrenzung vor: einen literarischen Führer, Mythen der Landschaft und ein Reisebuch Nordirland  ■ Von Gerhard Heimler

Das Angebot an Reiseliteratur zu Irland verzeichnet derzeit rund 50 verschiedene Reiseführer, Länderkunden und Reisebeschreibungen, außerdem etwa 25 Bildbände. Die Mehrzahl dieser Veröffentlichungen ist für ein Publikum geschrieben, das sich möglichst umfassend und allgemein über die Insel informieren möchte. Reisebücher mit thematischer oder regionaler Begrenzung waren dagegen am Markt bisher dünn gesät. Dafür sind im Herbst 96 gleich drei Titel erschienen.

Die Idee zu einem literarischen Irland-Reiseführer war schon lange überfällig. Dabei „gehört zur attraktiven Landschaft Irlands die Literatur ebenso wie zu Griechenland die Philosophie oder zu Italien die Oper“, schreibt Hans-Christian Oeser im Vorwort zu seinem Buch „Treffpunkt Irland. Ein literarischer Reiseführer (Reclam Verlag, Stuttgart, 394 Seiten, 39,80 DM). Genaugenommen handelt es sich hierbei um eine flüssig geschriebene Literaturgeschichte Irlands, deren Kapitaleinteilung nach Grafschaften die topographische Zuordnung eines Schriftstellers erleichtert. Die Schilderungen der Lebensumstände und der literarischen Bedeutung eines Autors sind stets an eine Lokalität gebunden – an Geburts- und Wohnhäuser, Gräber und Gedenktafeln, an Monumente und Museen. Erfreulich, daß neben bekannten Namen der irischen Literatur auch unbekanntere wie Thomas Crofton Croker, Brian Merriman oder James Stephens Eingang in diesen Führer gefunden haben. Die topographisch aufgebaute Literaturgeschichte Irlands ist ein Erfolg.

Neben der Literatur zieht es viele Reisende besonders der Mythologie wegen nach Irland. Angeregt von der Lektüre einer der zahlreich erschienenen Märchen- und Sagen-Anthologien, möchten sich viele Fans von Dermot und Grainne, von Cuchullain und Finn MacCool ins Land des „Celtic Twilight“ aufmachen, um die Schauplätze jener Geschichten aufzusuchen. Mit dem neuesten Buch der anglo-schweizerischen Mythenforscherin und Keltenexpertin Sylvia Botheroyd, „Irland. Mythologie in der Landschaft. Ein Reise- und Lesebuch (Jürgen Häusser Verlag, Darmstadt, 250 Seiten, 29 DM) ist dies jetzt mühelos möglich. Im ersten Teil des Buchs erzählt die Autorin die wichtigsten Stoffe der keltischen Sagenwelt Irlands in modernen Übertragungen nach. Der zweite Teil versteht sich als alphabetisch angeordnetes Who's who der irischen Mythologie und gibt über wichtige Götter- und Heldengestalten Auskunft. Der dritte Teil ist den Schauplätzen der Erzählungen gewidmet – Bergen, Flüssen, Seen, Hügel- und Ganggräbern, Festungen und Klostersiedlungen. Alle drei Teile sind untereinander verbunden – von den Sagen lassen sich Gestalten und Orte, von den Gestalten die Orte und von den Orten die Gestalten mit den jeweils dazugehörigen Geschichten nachschlagen. Das Buch ist zum Mitnehmen geeignet. So wird Mythologie wieder dorthin zurückgetragen, wo sie hingehört – in die irische Landschaft.

In vielen der herkömmlichen Irland-Reiseführer wird Nordirland stiefmütterlich als Terra incognita, als geographisches wie touristisches Niemandsland, abgehakt. Zu nachhaltig haben offensichtlich die „Troubles“ – wie der Bürgerkrieg dort oft verharmlosend bezeichnet wird – das Bild der britischen Unruheprovinz hierzulande geprägt. Bezeichnend, daß sich keiner der großen Verlage an einen Nordirland-Reiseführer heranwagte – hier bedurfte es des Engagements des Verlags Die Werkstatt aus Göttingen, der bereits mit dem Titel „Der lange Marsch. Macht und Menschen in Nordirland“ ein Standardwerk über den Ulsterkonflikt im Programm hat. Dietrich Schulze-Marmeling hat nun ein Buch dazu herausgegeben: „Nordirland. Geschichte, Landschaft, Kultur & Touren (Verlag Die Werkstatt, Göttingen, 360 Seiten, 48 DM). Das Buch beginnt mit einem Abriß der nordirischen Geschichte. Im nachfolgenden Teil geht es um Literatur, Kunst und Musik, außerdem um die Bedeutung des Fußballs in der gespaltenen nordirischen Gesellschaft. Daran schließen sich Porträts der Städte Belfast und Derry sowie jeder der sechs Grafschaften Nordirlands an. Im Anhang findet sich ein kleines Nordirland-Lexikon, eine Chronologie der nordirischen Geschichte sowie Hinweise von A bis Z für Reisen nach Nordirland. Klar, daß dieses Buch nicht den Durchschnittstouristen anspricht. Allen anderen, die sich durch die momentanen Rückschläge des Friedensprozesses nicht von einem Besuch dort abschrecken lassen, sei die Lektüre dieses Reiseführers dringend ans Herz gelegt.

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