piwik no script img

Betriebsausflug zum Mond? Bitte, kein Problem!

■ Japaner planen das erste Hotel im All / Zwei Bremer nehmen Neugierige schon jetzt mit auf „Space-Tour“

Möchten Sie zum Mond reisen? Die Antwort auf diese Frage spaltet die Menschheit in zwei Lager. Auf die Ja-Sager haben es Hartmut Müller und sein Geschäftspartner Augustinus Boots abgesehen. Für sie halten der Bremer Dasa-Ingenieur Müller und der gelernte Flugkapitän Boots ein abgehobenes Reiseangebot parat: Den Trip ins All. Die Space-Tour. Das Wochenende ab 550 Mark. Gefühlsecht – denn bis die Sache in 20 Jahren wirklich so weit ist, müssen potentielle All-TouristInnen sich mit Hilfsmitteln zufrieden geben, mit Simulatoren, Schwerelosigkeitsimitation und Bildschirmarbeit a la Raum- und Bodenstation.

„Trotzdem kriegen die Leute alle einen Kick“, schwören Müller und Boots. Wie groß die Nachfrage nach ihrem Angebot tatsächlich ist, erschließt sich ihnen erst langsam. Für die Werbung haben die beiden sich bisher nämlich auf Mundpropaganda verlassen – weil erste Marktanalysen für den neuen Sektor „Raumfahrtourismus“ noch in Arbeit sind. So lange verfeinern Müller und Boots ihre Reisepalette auf der Grundlage von Versuch und Irrtum – und staunen immer wieder, wie wenig die meisten Menschen doch über Raumfahrt wissen – und mit wie wenig sie aus der Sicht von Raumfahrtexperten folglich schon zu begeistern sind. Auch damit erklären sich die beiden Reiseveranstalter die ersten grandiosen Publikumserfolge unter Erwachsenen – sogar mit einem Programm, das eigentlich für Pennäler bis 17 Jahre konzipiert war. Trotzdem: „Die Erwachsenen waren alle begeistert. Solche Gruppen zu begleiten, macht einfach Spaß.“

Müller und Boots stehen mit ihren Space-Tours fast konkurrenzlos am deutschen Markt. 20 Mal gingen Müller sie im letzten Jahr, das zugleich das erste Geschäftsjahr von Space-Tours war, auf Gruppenreise. Beliebtes Ziel: Bordeaux. Da läßt der sogenannte Parabelflug, wenn auch im ordinären Flugzeug, den Magen bis zum Hals schnalzen – vergleichbar dem schnellen Auto über der Bodenwelle. Der große Unterschied: Beim Parabelflug hält das Schwebegefühl rund 30 Sekunden an. Zehn bis zwanzig Mal in Folge gilt dies als das trefflichste aller irdischen Raumfahrererlebnisse. „Wer in der Raumfahrt arbeitet, will sowas immer wieder machen, auch wenn ihm schlecht geworden ist“, lacht Müller. Ihm selbst kam nach solchen Flügen die Idee, sowas auch für normale Sterbliche anzubieten. Daß er dabei überwiegend auf FirmenkundInnen setzt, liegt beim ausgefallenen Reiseziel nahe. Während das Space-Tour-Angebot für Einzelreisende mit einem Bremer Busreiseveranstalter nämlich zum Flop wurde, würdigen Firmen die spacige Idee und setzen sie gezielt als Personalführungsinstrument ein – als Belohnung nach einem innerbetrieblichen Wettbewerb beispielsweise.

Für BierbrauerInnen, ElektronikerInnen und TelekomikerInnen haben Müller und Boots schon Betriebsausflüge konzipiert, die manchmal auch einen sozialen Touch bekommen – was liegt schließlich näher, als ein Team ausgerechnet in einer Weltraumkapsel zusammenzuschweißen? Da stellt sich astronautischer Team-Geist unter Leitung erfahrener Personalmanager, bei klarer Aufgabenstellung und ein bißchen Zeitdruck, schnell ein. Auch als Kurzurlaub ist die Mondfahrt also kein Spaziergang, obwohl Müller und Boots alles tun, um ihren KundInnen Unannehmlichkeiten zu ersparen. Wo ExpertInnen vor dem wissenschaftlichen Parabelflug beispielsweise immernoch auf Herz und Niere geprüft werden – inklusive Schleudersitztraining – reicht für den kommerziellen Spaß heute ein simples Tauch-Tauglichkeitszeugnis aus. „Unsere Leute müssen normalgesund an Herz und Kreislauf sein“, sagen Müller und Boots.

Ob solch simple Kriterien für das Reisefernziel Mars ausreichen werden, ist allerdings noch fraglich – wie überhaupt so einiges, was den Trip ins All betrifft, der jährlich näher rückt. Deshalb veranstalten die beiden Bremer Unikate im März ein erstes internationales Symposium zum Weltraumtourismus. Dort sollen schwarze Wissenslöcher endlich gestopft werden. Denn neben heißersehnten Wirtschaftlichkeitsprognosen für Weltraumtouren werden vor Publikum aus Japan und den USA auch bedeutsame Versicherungsfragen debattiert. Gilt der Krankenschutz beispielsweise im luftleeren Raum? Oder: ist die Reiserücktrittsversicherung – bei einem Reisepreis von derzeit 50.000 US-Dollar pro Kilo Mensch – rentabel? Immerhin: einen ersten Entwurf für ein Hotel im Weltall hat der japanische Baukonzern Shimizu Corporation schon vorgelegt. Allerdings, auch wenn Müller die Reise dahin vielleicht vermarkten würde – am allerliebsten würde der eigensinnige Dasa-Ingenieur daran mitbauen. Eva Rhode

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen