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Benazirs "Schwestern"

■ Pakistanerinnen haben einen schweren Stand in der Politik. Im Wahlkampf umworben, werden sie danach vergessen

Berlin (taz) – Benazir Bhutto tourt durchs Land und erinnert sich plötzlich an die Frauen. Sie werde sich für die Belange ihrer „armen Schwestern“ einsetzen, versichert sie, wenn sie durch die Wahl am kommenden Montag wieder zu politischem Amt und Würde käme.

Viele Frauen haben Bhutto 1988 und 1993 zur Macht verholfen und sie zur ersten Regierungschefin eines islamischen Staates gemacht. Doch in ihren ersten beiden Regierungsperioden hat sich Benazir keine frauenpolitischen Lorbeeren erworben. Sie erwies sich als eingefleischte Machtpolitikerin, die die Klaviatur der Korruption voll im Griff hat und mit sämtlichen Wassern männlicher Polittricks gewaschen ist.

Bei UN-Konferenzen brillierte Bhutto mit Reden über Frauenprobleme und die Notwendigkeit der Gleichberechtigung. Doch vor der Abschaffung der frauenfeindlichen islamischen Gesetze, die in der Zeit der Militärdiktatur erlassen worden waren, scheute sie zurück, wäre damit doch eine heftige Konfrontation mit den islamischen Parteien vorprogrammiert gewesen. So werden weiterhin Frauen in Pakistan wegen Ehebruch eingekerkert oder gesteinigt.

Trotzdem war Bhutto an der Spitze des Staates eine Symbolfigur, die zeigte, daß eine Frau das Geschäft der Politik beherrschen kann – wie skrupellos es auch sein mag. Und nicht selten hörte man einfache Frauen im Land antworten, wenn ihnen jemand sagte, dieses oder jenes könnten Frauen nicht machen: „Aber wir haben doch sogar eine Frau als Premierministerin.“

Benazirs erste Wahl zur Premierministerin 1988 war von einer Hetz- und Schmutzkampagne ihrer politischen Gegner begleitet: von Grundsatzdebatten, daß eine islamische Nation nicht von einer Frau regiert werden dürfe, bis zu kleinkalibrigem Geplärre, es zieme sich nicht für eine ordentliche Muslimin, ausländischen Politikern die Hände zu schütteln.

Benazir Bhutto ist allerdings nicht die erste Frau in der pakistanischen Politik. Seit der Gründung des Staates tauchten immer wieder Frauen in der politischen Führungsriege auf. Sie alle hatten zweierlei mit Benazir gemeinsam: Sie stammten aus superreichen Großgrundbesitzerfamilien und erbten die politische Macht von ihren toten Vätern, Ehemännern oder Brüdern.

Andere Frauen haben es ungemein schwer in den Parteien. „Frauen werden in die Frauen-Flügel der Partei abgeschoben, dort kalt gestellt und von Entscheidungen und der Kandidatenliste ausgeschlossen“, klagt Shenaz Wazir Ali, Mitglied der Pakistanischen Volkspartei (PPP). Insgesamt sind derzeit nur 72 Politikerinnen auf nationaler Ebene tätig, im letzten Parlament saßen lediglich vier Frauen unter 213 Männern.

Die Mehrheit der Frauen ist durch die Norm der „purdah“, der Verschleierung, aus der Öffentlichkeit ausgeschlossen und in der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte als Wählerinnen behindert. In den Wahllisten sind Frauen stark unterrepräsentiert, weil viele Familien nur die Männer registrieren lassen. In besonders konservativen Bezirken wird Frauen kurzerhand das Wahlrecht verweigert.

Bei früheren Wahlen ignorierten die Kandidaten schlichtweg die Wählerinnen. Erst seit einer massiven Kampagne von Frauenorganisationen im Wahlkampf 1993 werben alle Parteien um die Gunst der Frauen – um sie nach der Wahl ebenso schnell wieder zu vergessen.

Direkte Konkurrentin Benazirs in ihrer Stimmenhochburg Sindh ist Schwägerin Ghinwa, die Witwe von Benazirs ermordetem Bruder Murtaza – eine weitere politische Erbin. Ihr Auftritt auf der politischen Bühne fügt dem skandalreichen pakistanischen Polittheater ein weiteres burleskes Element hinzu: den Frauenstreit in der Bhuttofamilie. Eine frauenpolitische Perspektive ist jedoch nirgends in Sicht. Christa Wichterich

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