piwik no script img

„Das Geld ist noch da, ich sag' aber nicht, wo“

■ Kurzweilig-konfuser Prozeßauftakt gegen eine Frau, die Spendengelder veruntreut haben soll

„Die Botschaft hör ich wohl. Allein mir fehlt der Glaube“. Und für Glauben, belehrte der humanistisch gebildete Amtsrichter Hübner Ingeborg W., werde er auch nicht bezahlt, sondern für handfeste Beweise. Die aber fehlen. So konnte er nur schmunzelnd die wiederholte Beteuerung der Angeklagten entgegennehmen: „Das Geld gibt es noch.“ Wo die rund 200.000 Mark allerdings zu finden seien, blieb am gestrigen ersten Verhandlungstag das Geheimnis der „Journalistin, Filmemacherin, Solarenergiekonstrukteurin und Designerin“, wie sich Ingeborg W. vorstellte. Sie muß sich wegen Untreue verantworten.

Was sich zunächst nach schnöder Buchhaltung und damit getriebenem Schindluder anhört, ist Ingeborg W. zufolge die mutige Rettung einer überaus erfolgreichen politischen Kampagne. 1992 kam eine Idee aus Schweden bei ihr an: Kinder sammeln Geld, mit dem tropischer Regenwald aufgekauft und vor der Rodung bewahrt werden soll. In Berlin gab es einen entsprechenden Verein, den „Kinder Regenwald Berlin“. Für diese Organisation startete die multifunktionale Angeklagte in ihrer Eigenschaft als Journalistin eine PR-Kampagne, die sich rasch zum Riesenerfolg ausgewachsen habe: „Die Kinder sind voll auf die Idee abgefahren“, begeistert sich Ingeborg W. noch heute und spricht von einem „Lauffeuer“, das entbrannt sei. Mehrere hunderttausend Mark seien zusammengekommen.

Doch eines Tages endete ihr En-thusiasmus jäh. Ingeborg W. meinte entdeckt zu haben, daß mit dem Berliner Verein etwas nicht ganz koscher sei. Erst trat sie ihm bei, „um mehr mitzubekommen“, dann wieder aus, um eine eigene Organisation zu gründen: Den „Kinder retten Regenwald“. Fortan behielt sie die in Hamburg eingehenden Spenden für diesen Verein. Nur was direkt an Berlin gespendet wurde, kam auch dort an.

Der Berliner Verein klagte. Ein Gericht entschied, daß die Hälfte des einbehaltenen Geldes an einen dritten Berliner Regenwaldverein gehen, die andere Hälfte in Hamburg bleiben sollte. Verfügen dürfte Ingeborg W. darüber allerdings nur mit Zustimmung „eines Herrn K. von der Behörde“. Seither ist das Geld verschwunden.

Gestern wollte Ingeborg W. weder sagen, wo das Geld geblieben ist, noch, warum sie das nicht sagen wolle. Daraufhin ermutigte sie Richter Hübner, es ihm ins Ohr zu flüstern. Übernächsten Freitag, wenn der Prozeß fortgesetzt wird, will Ingeborg W., so sagte sie, „eventuell“ auf dieses Angebot zurückkommen. Elke Spanner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen