: Swinging Harlem Globetrotter
■ Zurück zu den Anfängen: Die „Blackbirds of Broadway“ singen und wandeln auf den Spuren alter Revue-Erfolge
azz war groß in Mode in den 20er Jahren: eine junge, wilde und unanständig sexuelle Musik, zu deren schwarzen Rhythmen sich das schicke weiße Publikum zugleich stilvoll, modern und dekadent geben konnte. Josephine Baker, Cab Calloway, Duke Ellington und der Steptänzer Bill „Bojangles“ Robinson waren die Stars der „Harlem Renaissance“. Sie alle spielten in den Revuen des New Yorker Produzenten Lew Leslie, der zwischen 1922 und 1941 jedes Jahr eine aufwendige Bühnenshow mit vielen der besten schwarzen Künstler zusammenstellte, und damit zuerst in Harlem, dann am Broadway und schließlich in London und Paris triumphale Erfolge feierte.
Aus den Highlights der insgesamt 25 Blackbird-Revuen wurde für diese Tournee-Show ein etwa zwei Stunden langes Programm zusammengestellt, das von elf Interpreten gesungen und getanzt wird, und dabei zwar authentisch, aber keineswegs museumsreif wirkt. Bei den Tanznummern kreisen die Hüften in eleganten Kostümen so gewagt und sinnlich, wie dies damals gerade noch erlaubt war, und bei dem Song „My Handy Man“ preisen die beiden Sängerinnen mit solch frivolen Wortspielen die Vorzüge ihrer Männer, daß eine wörtliche Übersetzung des Songs wohl auch heute noch nicht von deutschen Radiosendern gespielt werden dürfte. Dafür scheint dann in der Gospelszene ein Scheinwerferstrahl direkt aus dem Theaterhimmel auf die Sängerin herab, und bei einer mit Inbrust gesungenen religiösen Hymne wird einem in Schwarz gekleideten Sünder gar auf offener Bühne der Teufel ausgetrieben. Mit extravagantem weißen Anzug, breitem Grinsen und grotesken Tanzschritten bietet Roumel Reaux eine brillante Imitation von Cab Calloway mit dessen berühmtem Song „Minnie the Moocher“, und Jewel Tompkins entspricht bei ihrer Interpretation des „St.Louis Blues“ genauso überzeugend dem Klischee von der dicken Mama mit viel Soul.
Mindestens jedes zweite von der Live-Band gespielte Stück zählt zu den Klassikern der populären schwarzen Musik: „Stormy Weather“, „I Can't Give You Anything But Love“, „On the Sunny Side Of The Street“, „Bye Bye Blackbird“ und eine Reihe von Ellington-Kompositionen werden hier sozusagen in ihrer Urform neu erweckt, denn bevor sie zu Jazzstandards, Filmschlagern oder Fahrstuhlmusik wurden, glänzten sie als Shownummern in den Blackbirds Revuen in schrägen Arrangements mit verführerisch kostümierten Sängerinnen oder akrobatischen Step-Einlagen. Hier wird nun wohlgemerkt nicht die unverschnittene schwarze Musik und Kultur von damals präsentiert, sondern die Shows wurden den Erwartungen und Klischees des weißen Pubilikums gemäß konzipiert. Diesen politisch unkorrekten Aspekt der Blackbird-Produktionen haben die Macher der aktuellen Nachschöpfung geschickt dadurch entschärft, daß sie als Überleitung zwischen den einzelnen Revuenummern aus den Jazz-Poems von Langston Hughes rezitieren. Die bittere Ironie dabei ist, daß dem bekanntesten schwarzen Dichter der 20er Jahre wegen seiner Hautfarbe kein Zutritt zu den Blackbird-Revuen gewährt worden wäre. Er feierte damals den Blues als „die Musik, die gleichzeitig lacht und weint.“
Wilfried Hippen
Blackbirds of Broadway – A Harlem Rhapsody am 7.2.1997 um 20 Uhr im Pier 2
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