: Risikominimierend
Da rollt der Rubel: Neben Bugs Bunny tritt Michael Jordan in dem Comicfilm „Space Jam“ auf ■ Von Thomas Winkler
Bevor man in Europa wußte, wer Michael Jordan überhaupt ist, da wußte man schon, daß er Schuhe von Nike trägt: Er war der erste Sportler, nach dem ein Schuh benannt wurde. Der Erfolg gab dem Sportartikelhersteller recht. Inzwischen dürften um die 150 Millionen Air-Jordan-Sneakers weltweit verkauft worden sein, und gebrauchte aus den Jahren 1985 bis 1991 werden in Australien oder Japan für bis zu 2.000 US-Dollar gehandelt. 1990 erwürgte in Michigan ein 17jähriger im Streit um ein Paar Jordan-Sneakers einen 15jährigen. Als Jordan 1993 vorübergehend vom Basketball zurücktrat, fiel die Nike-Aktie prompt um einen Dollar. Ein Mikrobiologe benannte seine wissenschaftliche Entdeckung nach ihm: Seitdem gibt es eine Salmonella Mjordan. Glaubt man einer Umfrage in China, sind Jordan und Tschou En- lai die beiden wichtigsten Männer der Welt.
Schätzungsweise 120 Millionen Dollar hat der bald 34jährige Basketballspieler allein im letzten Jahr verdient. Ein eher kleiner Teil davon ist die Gage für „Space Jam“, in dem Jordan zur Hilfe gerufen wird, um mit Bugs Bunny, Daffy Duck und Tweety ein Basketballspiel gegen außerirdische Zeichentrickfiguren zu gewinnen. Die restlichen menschlichen Rollen sind nicht weiter der Rede wert: „Ich spiele mich selbst“, erzählte Bill Murray, der auch schon in Werbespots für die Basketball-Liga NBA auftauchte, „das war zu schaffen.“
Der Name Jordan garantiert Umsatz. So bot der Boxpromoter Dan Duva dem Basketballer 15 Millionen Dollar, wenn er in einem Schwergewichts-Weltmeisterschaftskampf antreten würde. Und für ein Duftwässerchen wirbt allein der Name Jordan und ein Schattenriß der legendären Glatze. Als ruchbar wurde, daß Warner mit der Ikone Jordan und den eigenen legendären Looney Tunes um Bugs Bunny und Daffy Duck die Vorherrschaft von Disney ankratzen möchte, sprach die amerikanische Presse prompt vom „sure-fire blockbuster“. Geschäftsleute verkündeten, daß es nun wohl gelungen sei, das Restrisiko beim Filmemachen zu minimieren. Warner verkaufte über 200 Vermarktungslizenzen für „Space Jam“ und ging vor dem Start des Films davon aus, daß allein mit Merchandising mehr als eine Milliarde US-Dollar weltweit umgesetzt werden würden.
Als Regisseur wurde Joe Pytka engagiert, der bisher ungefähr 5.000 Werbespots abgedreht hat, darunter auch die Clips, in denen Jordan und Bugs Bunny zum erstenmal gemeinsam eingesetzt wurden. „Space Jam“ ist sein zweiter Spielfilm.
„Ist er ein Looney Tune?“ fragt der Boß der Aliens. „Vielleicht“, ist die Antwort. Es gibt diesen Werbespot, in dem Michael Jordan Anlauf auf einen 30 Meter hoch hängenden Korb nimmt. Immer weiter nach oben steigt er und stopft den Ball schließlich durch die Reuse. Dann hängt er am Korb und schickt einen ironisch verzweifelten Seitenblick in die Kamera, weil er jetzt nicht mehr runter kommt. „Michael Jordan is a cartoon. Always was“, stellte die Washington Post fest. Im Gegensatz zu Jordan müssen die anderen Basketballspieler, die in „Space Jam“ auftauchen, erst zu Zeichentrickfiguren mutieren, um in die Welt der Looney Tunes zu gelangen. Jordan aber darf seine menschliche Erscheinungsform behalten. Obwohl, wenn jemand in „Space Jam“ animiert wirkt, dann der steife Jordan.
Was „Space Jam“ sehenswert macht, sind die Looney Tunes, der karottenknabbernde und altklug daherschwatzende Bugs Bunny, der sabbernde und spuckende und schimpfende Daffy Duck, die pathetisch daherflötende Tweety. Und der eine oder andere Seitenhieb auf die allgegenwärtigen Synergie-Effekte: „Hast du jemals Geld aus dem Merchandising gesehen?“ fragt Bugs. „Nicht einen Cent“, antwortet Daffy, „wir brauchen einen neuen Manager.“ Michael Jordans Manager David Falk war übrigens ausführender Produzent bei „Space Jam“.
Warum nur ist Michael Jordan so faszinierend? Es gibt da noch einen Werbeclip: Jordan dribbelt durch einen Pulk Verteidiger zum Korb. Dazwischengeschnitten: Menschen im Fitneßstudio, Menschen vorm TV, vor einer Garage fällt ein Fahrrad um in Superzeitlupe. Schnitt und Tempoveränderungen suggerieren, daß die Welt still zu stehen scheint für die, die Michael Jordan Basketball spielen sehen.
Und wirklich: Wenn dieser Mann im Sprung diesen kleinen Bruchteil länger in der Luft stehen bleibt als andere, das Herz des Zuschauers einmal vergißt zu schlagen und wartet und wartet und der Ball schließlich fliegt und mit einem zarten „Wsch“ durch die Maschen fällt, dann ist Michael Jordan zwar immer noch ein Mensch. Aber Basketball wird zu Poesie.
„Space Jam“. Regie: Joe Pytka. Mit Michael Jordan, Theresa Randle u.a. USA 1996, 90 Minuten
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