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Das PortraitDie mächtigste Frau Amerikas

■ Katharine Graham

Hatte diese Frau Feinde! Zunächst die versammelten Presse-Chauvis der Washington Post-Company, die sie 1963 nach dem Selbstmord ihres Mannes Philip übernahm – einige Jahre später dann die komplette Republikaner-Riege um Richard Nixon. Der ihm treu ergebene Staatsanwalt John Mitchell verstieg sich angesichts der Watergate-Affäre gar zu der rabiaten Drohung, man werde der liberalen Verlegerin „die Titten auswringen“.

Schon lange vor Watergate hatte Graham gezeigt, daß sie willens war, aus der unbedeutenden Hauptstadt- Postille ihres depressiven Mannes einen publizistischen Wächter der Demokratie zu machen. So entschied sie sich 1971 gegen den ausdrücklichen Willen der Hausjuristen für eine Veröffentlichung der sogenannten Pentagon-Papers: „Let's go. Let's publish.“

Eine Entscheidung, die freilich so heroisch gar nicht war, hatte doch die New York Times die geheimen Unterlagen über die desaströse Lage in Vietnam bereits vier Tage zuvor veröffentlicht. Zwei Jahre später hatte die Post dann aber die Nase vorn, als sie durch Nixons engen Vertrauten Richard Ober (Informantenname „Deep Throat“) Wind von der Watergate-Affäre bekam.

In ihren Memoiren blickt die 79jährige auf ein Leben in zwei Hälften zurück: das des ungeliebten Anhängsels eines egozentrischenn Pressezaren und das der Herrscherin über Zeitungen und Rundfunkstationen mit einer konkurrenzlosen Machtfülle: eine Mischung aus Marion Gräfin Dönhoff und Axel Springer, mit einem Schuß Rudolf Augstein. Dank des hausgemachten Medienhypes in Newsweek ist die Biographie nun auf dem besten Weg in die Bestsellerlisten. Doch Enthüllendes, wie es einst in der Post stand, werden die Leser vergebens suchen. Dabei gäbe es im Leben der Graham reichlich Stoff für investigative journalism. Kritikern gilt sie als eiskalte Managerin, die Gewerkschaften zerschlägt und mißliebige Politiker mit wenigen Sätzen zu Idioten stempelt. Sogar Zensurmaßnahmen sind der hochgelobten Kämpferin für die Pressefreiheit nicht fremd. Als die amerikanische Journalistin Deborah Davis ein Buch über die Verbindungen der Washington Post zur CIA veröffentlichte (“Katharine, the Great“), wurde das Werk auf Grund eines massiven Drohbriefs an den Verlag kurzerhand eingestampft. Oliver Gehrs

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