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Sonntagsspaziergang durch ein virtuelles Museum

■ Sieben Privatgalerien luden zu offenem Wochenende, und die Leute kamen, schauten und – kauften wenig

Manchmal gehen in Bremen wundersame Dinge vor. Das Rot zum Beispiel auf dem Bild da hinten scheint regelrecht zu glühen. Und die zum Relief verarbeitete Schleifscheibe dort drüben – sie fluoresziert im Schwarzlicht. Wir sind einem „Museum“ gelandet. Einem Museum, das man sich zusammenbauen mußte. Durch einen Rundgang durch Schwachhausen, das Ostertor und Findorff. Denn zum ersten Mal seit dem Kunstfrühling vor ungezählten Jahren haben sich sieben Bremer Privatgalerien in den drei Stadtteilen von Freitag bis Sonntag für ein offenes Wochenende zusammengetan. Und die Leute kamen, sahen und kauften – so gut wie nichts.

Das Rot, das Licht, die Kunst. Sie residiert in Bremen nicht bloß in den Museen, sondern auch mitten in den Wohnvierteln und sogar in manchem Industriegebiet. Zum Teil seit mehr als zwei Jahrzehnten versuchen enthusiastische, man kann fast sagen: fanatische Leute ihrer Kundschaft zeitgenössische Kunst mit programmatischem Hintersinn nahezubringen und haben dafür Zimmer ihrer Wohnungen und vorzugsweise ganze Etagen ihrer Altbremer Häuser geöffnet. Mehr recht als schlecht und vor allem ohne staatliche Subventionen fristen sie ihr Dasein.

Doch die Schwellenangst, die gewöhnliche Leute vor dem Betreten einer Galerie haben, konnten sie bislang nicht überwinden. Dagegen setzten sieben von ihnen ihr offenes Wochenende. Und gegen den Negativ-Nachrichten- und Kulturkampf-Schlamassel setzten sie es auch.

Das glühende Rot auf dem Bild Hans-Hendrick Grimmlings in der Galerie Steinbrecher oder die fluoreszierende Scheibe von Christina Kubisch in Brigitte Seinsoths Galerie Am Steinernen Kreuz: Was die BremerInnen zeigen, kann sich buchstäblich sehen lassen. Das ist die erste Botschaft des Rundgangs, auf dem sich ähnlich wie bei einer Wohnungssuche die gleichen fremden Leute immer wieder trafen und bei dem sich das Galerien-Septett zu einem virtuellen Museum zusammenfügte. Doch anders als bei einem gewöhnlichen Museumsbesuch ist so ein Galerienrundgang eine kommunikative Angelegenheit: Man schaut, plaudert, vergleicht, redet, und schnell färbt etwas Enthusiasmus der Galeristen auf den Besucher ab.

So bei Cornelius Hertz, der seine Galerie für eine große Installation von Andree Korpys und Markus Löffler hergegeben hat. Seine Phantasien von einem Bankeinbruch hätte das junge Künstlerduo verarbeitet, erklärt Hertz. Entstanden ist eine Installation, die Architektur, Kunst, Inneneinrichtung und Bankertypen einschließt und in der Summe ein genaues Bild vom Wesen der Bank an sich entwirft.

Hertz und seine „Nachbarn“ Lisa und Hermann Jacobs, die das 20jährige Bestehen ihrer Galerie im Winter zur Zeit mit einer Sammelausstellung feiern, ziehen eine positive Bilanz der Aktion. Und Brigitte Seinsoth, die noch bis Anfang März Zeichnungen, Drucke und eine Installation der vielseitig bildenden Künstlerin Christina Kubisch zeigt, gerät regelrecht ins Schwärmen über die Resonanz. In Bremen gäbe es ohnehin ein sehr interessiertes Publikum. Der Beweis: „Die auswärtigen Besucher wundern sich, daß bei Vernissagen sogar über Kunst geredet wird.“

Allein Chris Steinbrecher schert aus der Reihe aus. Er glaubt nicht, daß sich durch eine solche Aktion andere Leute als das „bekannte Kunstpublikum“ ansprechen lassen. Doch Steinbrecher spielt sowieso eine Sonderrolle. Durch seine Galeriekonzerte und andere Veranstaltungen hat er einen eigenen Weg gefunden, den gewöhnlichen Menschen beim Überwinden von Schwellen auf die Sprünge zu helfen. Christoph Köster

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