Hauptamtlich auf der Überholspur

■ Mit einem Regierungsprogramm, einer Spitzenkandidatin und einem bezahlten Parteivorstand wollen die Grünen die SPD überholen. Eine Entscheidung über die PDS soll im Herbst fallen

Die Bündnisgrünen rüsten sich für den nächsten Wahlkampf. Als einzige Berliner Partei leisten sich die Grünen künftig einen hauptamtlichen Parteivorstand. Zwei bezahlte SprecherInnen sollen dem siebenköpfigen Geschäftsführenden Ausschuß künftig mehr Schlagkraft verleihen. Zudem werden der Parteispitze künftig auch der Landesgeschäftsführer und die Frauenreferentin angehören. Dies beschloß die Landesdelegiertenkonferenz der Grünen am Wochenende.

„Die Parteivorsitzenden sollen präsenter sein“, begründete Sprecher Christian Ströbele die Professionalisierung. Für die sieben ehrenamtlichen Parteivorstände sei die Arbeit kaum zu bewältigen. Bei insgesamt sechs Stellen in der Landesgeschäftsstelle – darunter der Landesschatzmeister und eine Referentin für Öffentlichkeitsarbeit – haben die Grünen verglichen mit den Apparaten der anderen Parteien allerdings immer noch das Format eines David.

Um zur zweitstärksten politischen Kraft in der Stadt zu werden, wollen die Grünen noch vor der Sommerpause ein Regierungsprogramm verabschieden. Und den nächsten Wahlkampf wollen die Grünen mit einer eigenen Kandidatin für das Amt des Regierenden Bürgermeisters bestreiten. Auch gegen diesen Vorschlag der Parteispitze regte sich bei der Landesdelegiertenkonferenz überraschenderweise keinerlei Widerspruch – bricht dies doch völlig mit der Tradition eines nicht personenbezogenen Wahlkampfes. Sämtliche Vorschläge erhielten eine breite Mehrheit.

Einige Delegierte äußerten lediglich Kritik an der „schönen grünen Welt“, die Christian Ströbele in leuchtenden Farben schilderte. In der Verkehrspolitik schlug der Parteisprecher einen BVG-Einheitstarif von drei Mark, eine Umweltkarte für 80 Mark und mehr Busspuren vor – alles finanzierbar, wie er versicherte.

Damit handelte er sich jedoch den Vorwurf eines „schnell gestrickten Geschenkprogramms“ ein. „Leute, bleibt auf dem Teppich“, mahnte Jochen Esser. „Die Inhalte werden uns auch nicht in die Regierung katapultieren.“ Fraktionschef Wolfgang Wieland stellte in seiner lakonischen Art fest: „Ich neige nicht zu Höhenflügen.“ Ein „Geschenkkatalog“ dürfe das Programm nicht werden. Ein seriös durchgerechnetes Regierungsprogramm werde die Grünen aber voranbringen.

Doch auch bei der Frage, mit welchen Mehrheiten die Grünen ihre sozial-ökologische Wende herbeiführen wollen, hatte Christian Ströbele die rosarote Brille auf: „Wenn wir die Wähler von unseren Konzepten überzeugen, könnte es durchaus für eine rot- grüne Mehrheit reichen.“ Die Grünen sollten sich davon verabschieden, daß es „nur eine Option“ gebe. Gemeint war die PDS.

In der Debatte um die PDS zeichnete sich keine Annäherung zwischen Befürwortern und Gegnern einer von der PDS tolerierten rot-grünen Regierung ab. Die Entscheidung, ob ein Bündnis in Frage kommt, soll in erster Linie von Inhalten abhängig gemacht werden und erst im Herbst fallen.

Einen Reformvorschlag verabschiedeten die Delegierten schon am Wochenende: das Wahlalter bei den Kommunalwahlen soll auf vierzehn Jahre herabgesetzt werden. Schließlich seien Kinder mit vierzehn Jahren schon strafmündig, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Renate Künast.

Das Wahlrecht könne ihnen durchaus schon mit 14 gewährt werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf will die bündnisgrüne Fraktion demnächst im Abgeordnetenhaus einbringen. Dorothee Winden