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In Zaire kontrolliert die Rebellenarmee große Teile des Landes - und fast alle Flüchtlingslager. Die Zivilbevölkerung und die ruandischen Hutu-Flüchtlinge sind Spielball der Kriegsparteien geworden. Eine Lösung, etwa durch ausländische Verm

In Zaire kontrolliert die Rebellenarmee große Teile des Landes – und fast alle Flüchtlingslager. Die Zivilbevölkerung und die ruandischen Hutu-Flüchtlinge sind Spielball der Kriegsparteien geworden. Eine Lösung, etwa durch ausländische Vermittlung, ist nicht in Sicht.

Etappensiege auf dem Weg zum Sturz Mobutus

Längst hat sich der Krieg internationalisiert, der im Herzen Afrikas um die Kontrolle der riesigen Staatsfläche Zaire tobt. Die Gegner des zairischen Diktators Mobutu Sese Seko, versammelt in der „Allianz der demokratischen Kräfte zur Befreiung von Kongo- Zaire“ (AFDL), kontrollieren inzwischen ein Gebiet von der doppelten Größe Deutschlands und vermelden immer neue Erfolge.

Nicht einmal die Rebellen selber dementieren jetzt noch, daß sie von den mit Mobutu verfeindeten Nachbarländern Ruanda und Uganda militärisch unterstützt werden (siehe Interview) – obwohl die beiden genannten Länder das noch immer zurückweisen. Den Vorwurf hatten vergangene Woche zuerst Zaires Regierung, dann Belgien, dann auch die den Rebellen eher zugeneigten USA erhoben. Die USA warnten zugleich die angesprochenen Staaten vor einer Einmischung in den zairischen Krieg. Der UN-Sicherheitsrat forderte am Freitag den Abzug „aller ausländischen Kräfte“ aus Zaire. Damit sind beide Seiten gemeint. Die AFDL bekommt brüderliche Hilfe von Ruanda und Uganda, das Regime von Mobutu hat europäische Söldner angeworben, die allerdings bisher vor allem ihre Stationierungsorte unsicher machen.

Frisch gestärkt auch durch massenhaften Zulauf von Tausenden von jungen Zairern, sind die Rebellen am Wochenende weiter vorgerückt: Sie nahmen das Flüchtlingslager Amisi am Rande der Ortschaft Lubutu ein, wo 40.000 ruandische Hutu-Flüchtlinge unter der Kontrolle von Hutu-Milizen lebten – ein Überbleibsel des Netzes von Hutu-Lagern im Osten Zaires, das nach dem Sturz des ruandischen Hutu-Regimes 1994 dicht an der ruandischen Grenze entstanden war und 1996 von den AFDL-Rebellen weitgehend zerschlagen wurde. Die 40.000 Bewohner von Amisi ergriffen vor dem Rebelleneinmarsch die Flucht – wie bereits die 40.000 Bewohner des Flüchtlingslagers Shabunda weiter südlich, das die Hutu-Milizen in der Nacht zum Mittwoch angesichts der anrückenden Rebellen planmäßig räumten. Die AFDL treibt also auf ihrem Vormarsch die Reste der ruandischen Hutu-Milizen samt den von ihnen kontrollierten Flüchtlingen vor sich her – unmittelbar in die Arme der zairischen Armee.

Nur das größte der Flüchtlingslager in der Kriegsregion östlich der Millionenstadt Kisangani, Tingi-Tingi an der Straße nach Lubutu mit etwa 120.000 Bewohnern, ist noch nicht in Rebellenhand. Tingi- Tingi ist die letzte Bastion der Milizen. Erst am vergangenen Mittwoch soll auf der improvisierten Piste des Lagers ein Flugzeug mit Militärnachschub gelandet sein. Die ausländischen Angehörigen internationaler Hilfsorganisationen sind weder in Tingi-Tingi noch in Lubutu noch willkommen: Sie wurden nach Raubüberfällen zairischer Soldaten am Freitag evakuiert. Zugleich verwehrte die zairische Armee Helfern den Zugang zu den im Regenwald gestrandeten Flüchtlingstrecks aus Shabunda.

Im zairischen Krieg ist die Zivilbevölkerung Spielball. Schon vor dem Verlust von Amisi und Shabunda bestand die zairische Regierung darauf, daß aus Uganda kommende Hilfsgüter für die Flüchtlinge nicht direkt bei den Bedürftigen landen sollten, sondern erst 2.000 Kilometer weiter westlich in die zairische Hauptstadt Kinshasa gebracht werden müßten – um dort zum Rückflug Richtung Osten auf zairische Flugzeuge umgeladen zu werden. Es liegt an solchen Schikanen, daß die jetzt vor dem Krieg fliehenden Menschen zum großen Teil schwer krank und unterernährt sind. Der zuständige Direktor des UN-Welternährungsprogramms WFP, Mohammed Zeijari, nennt das zurückhaltend „Engpässe bei der Logistik und der Sicherheit“.

Bemühungen zu einer diplomatischen Lösung kommen nur schwer in Gang. Mohammed Sahnoun, der neue Sonderbeauftragte der UNO und der OAU, will diese Woche erste Gespräche in den vom Konflikt betroffenen Ländern führen. Vor seinem Abflug begrüßte er in Paris einen französischen Vorschlag zu einer „humanitären Vorkonferenz“, um eine internationale Konferenz über die Krisen in Zaire, Ruanda und Burundi vorzubereiten. Am Ende davon könnte, so Sahnoun, ein „kleiner Marshall-Plan“ für Zentralafrika stehen. Aber für die Zairer im Kriegsgebiet käme das mit Sicherheit zu spät. Dominic Johnson

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