: Der heiße Beichtstuhl
Kirches Medienpower wächst: Von Kommissar Pfarrer über den Papst on air bis zum kommerziellen Christenradio Paradiso, das morgen startet ■ Von Martin Busche
Während Sie diese Zeilen lesen, leuten am Berliner Wannsee die Glocken. Beim Sendestart-Gottesdienst holt sich Pfarrer Rainer Thun den letzten Segen für seine Abkehr vom gedruckten Gotteswort: Denn morgen am 12.02. um 12.02 Uhr geht der erste christliche kommerzielle Sender auf Sendung: „Radio Paradiso“.
Der Berliner Privatfunk ist bundesweit einmalig. Finanziers sind keine Verlagshäuser oder Versandhauserben, sondern mehr als zwanzig Gesellschafter aus dem Umfeld der evangelischen Kirche.
„Kommunikation ist ein Geschenk Gottes“
Die ist auch sonst recht aktiv im Mediengeschäft. Kein Medienzweig, in dem nicht mindestens eine Firma, ein Vertreter oder zumindest ein Lobbyist für die Verkündigung der christlichen Botschaft sorgt.
„Kommunikation ist und bleibt Gottes großes Geschenk an die Menschlichkeit, ohne das wir nicht wirklich menschlich (...) als Ebenbilder Gottes leben können“, heißt es in einer Erklärung der World Association for Christian Communication (WAAC) mit Dependance in München. Auf ihrer christlichen Fernsehwoche kommen alljährlich Fernsehleute, Produzenten, Redakteure zusammen, um zu diskutieren, wie christliche Inhalte besser über den Sender gebracht werden können. Auch dabei: Das katholische Pendant Unda (lateinischen für „Welle“).
Während in der Mitgliederkartei vorwiegend Personen aus geistlichen Ämtern verzeichnet sind, versteht sich die WAAC als ökumenische Organisation. Eine Broschüre klärt Fernsehmacher regelmäßig darüber auf, was anderswo an Christlichem über den Sender geht. Beide Organisationen haben einen ständigen Sitz bei der EU und ihren Einrichtungen. Zur „Beobachtung der Tätigkeit europäischer Exekutiven und Gremien in Sachen Medien und Kommunikationstechnologie“, wie die Katholiken-Zeit, der Rheinische Merkur, schreibt. In Wahrheit wird in Brüssel eher agiert.
Verdeckte Missionierung
Der Papst verbreitet Glauben on air – Radio Vatikan sendet täglich zwölf Stunden über Satelliten in die ganze Welt –, und auch auf nationaler Ebene sind die Kirchen allgegenwärtig. So haben viele der privaten Radiosender in Deutschland einen Kirchenbeauftragten, der dafür sorgt, daß die Stimme Gottes im Musikbrei nicht untergeht. In Norddeutschland besorgt das der Evangelische Presseverband Nord mit Sitz in Kiel – mit einigem Erfolg. Deren Verbandsdirektor Rainer Thun hatte die Idee für den Berliner Christenfunk. Auch in Kiel steht nun eine Lizenzentscheidung an. Die Strategie mit dem Vollprogramm aber ist in der evangelischen Kirche umstritten – die katholischen Bischöfe lehnen sie rundweg ab. Deren Medienreferent Ludger Ferst schwört eher auf verdeckte Missionierung: So fanden die Vorarbeiten für die erfolgreiche Sat.1-Krimiserie „Schwarz greift ein“, in der ein kriminalistisch begabter Pfarrer die Hauptrolle spielt, mit Unterstützung der katholischen Kirche statt. Und die christliche Produktionsfirma Tellux hält Anteile an Firmen, die Serien wie „Polizeiruf 110“ und den Kinofilm „Mario und der Zauberer“ produzierten.
Zwecks christlicher Verkündigung tun sich Protestanten und Katholiken auch schon einmal zusammen. So liegt die Planung für eine „Heiße Stuhl“-Kopie vorerst zwar auf Eis, ist aber noch nicht vom Tisch. Statt von Olaf Kracht soll die Sendung von einem katholischen und protestantischen Geistlichen moderiert werden. In Vorbereitung ist auch eine christliche Fünf-Minuten-Sendung auf Pro 7. „Locker und zeitgemäß präsentiert“, versichert Medienreferent Ferst. Sein Wort in Gottes Ohr.
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