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Die britische Regierung auf der Hühnerjagd

■ Streit um das Hirn der BSE-verdächtigen Hennen. Londoner Landwirtschaftsministerium will Mikrobiologen Narang zur Herausgabe zwingen

Dublin (taz) – Die Vermutung, daß sich der Rinderwahnsinn BSE auch unter Hühnern breitgemacht hat, bereitet der britischen Regierung erhebliche Sorgen. Das Londoner Landwirtschaftsministerium hat inzwischen versucht, den Mikrobiologen Harash Narang im nordenglischen Newcastle zur Herausgabe der beiden BSE-verdächtigen Hennen zu zwingen – bisher vergebens.

Narang hat im vorigen Monat ein zweieinhalb Jahre altes Huhn töten lassen, das dieselben Symptome wie BSE-kranke Rinder aufwies (siehe taz vom 20. Januar). Das Huhn stammte von einem Bauernhof aus Südengland, auf dem in der Vergangenheit auch sechs Fälle von Rinderwahnsinn aufgetreten waren.

Nachdem der Fall bekanntgeworden war, meldete sich ein weiterer Bauer aus Wales bei Narang: Eins seiner Hühner, eine fünf Jahre alte Henne, zeigte ebenfalls BSE-Symptome.

Narang, 54, hat die Hirne der beiden Tiere Anfang Februar in Formaldehyd einlegen lassen, um sie haltbar zu machen. Dieser Prozeß dauert etwa drei Wochen, sagt der Wissenschaftler. Ende des Monats will er dann im Beisein eines Neuropathologen den BSE-Nachweis führen. Die britische Regierung möchte die Tests jedoch lieber selbst durchführen. Das hat Narang abgelehnt. „Ich glaube, die Öffentlichkeit würde es bevorzugen, wenn ein unabhängiger Wissenschaftler die Untersuchung führt“, sagte er zur taz, „damit die Möglichkeit der Übertragung auf Hühner nicht unter den Teppich gekehrt wird.“

Der stellvertretende Chefveterinär der britischen Regierung, Kevin Taylor, warnte Narang, er mache sich nach dem Gesetz für Tiergesundheit strafbar, falls er die Hühner nicht herausrücke. „Wie ich bereits am Telefon sagte“, heißt es in dem Brief, „hat die Veröffentlichung Ihrer Behauptungen in einigen Mitgliedstaaten das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Unbedenklichkeit von Geflügelfleisch schwer erschüttert.“ Dann schaltete sich auch Gesundheitsminister Stephen Dorrell in den Hühnerstreit ein. Narang sei nicht nur rechtlich, sondern auch moralisch verpflichtet, den staatlichen Stellen die Tiere zu übergeben, sagte er bei einem Besuch in Nordengland.

Am vergangenen Montag meldete sich Bezirksveterinär Andrew Hayward aus Carlisle bei Narang und erklärte, er sei bevollmächtigt, die beiden Hühnerhirne abzuholen. Narang weigerte sich abermals, versprach jedoch, das Testmaterial sofort nach Abschluß seiner eigenen Untersuchungen an das Ministerium zu schicken. Am Wochenende erreichte ihn ein zweiter Brief von Kevin Taylor. Der räumte nun ein, daß es keine rechtliche Handhabe gebe, die Tiere zu beschlagnahmen. „Ich muß zugeben, daß ich angenommen habe, Sie hätten eine Untersuchung bereits durchgeführt“, schrieb Taylor. „Ich habe eindeutig Ihre Redlichkeit überschätzt.“ Zum Schluß prophezeite er Narang einen Zivilprozeß der Geflügelindustrie, die er schließlich durch seine Aktion geschädigt habe.

Narang vermutet, daß sich die beiden Tiere durch verseuchte Futtermittel infiziert haben. Bis August durften Hühner, Schweine und Fische mit Tierkörpermehl gefüttert werden, obwohl sich die Wissenschaftler einig sind, daß ungenügend behandeltes Tierkörpermehl Anfang der achtziger Jahre den Rinderwahnsinn ausgelöst hat. An Wiederkäuer darf es seit 1989 nicht mehr verfüttert werden, doch der Export ist bis heute nicht gestoppt worden.

Sollte sich Narangs Verdacht bestätigen, stellen sich weitere Fragen: Befindet sich der Erreger auch in Eiern? Können sich Menschen durch BSE-Hühnerfleisch infizieren? Die Übertragbarkeit durch belastetes Rindfleisch auf Menschen ist inzwischen erwiesen. Narang hatte das bereits 1990 vermutet, war jedoch von der britischen Regierung der Unfähigkeit bezichtigt worden.

Vor einem Jahr mußte Dorrell dann zugeben, daß Harash Narang doch recht hatte. Beim Geflügel liegt die Sache allerdings etwas anders: Da Masthähnchen bereits mit 14 Wochen geschlachtet werden, ist anzunehmen, daß der Erreger in keiner hohen Konzentration vorliegt. Letzte Sicherheit können aber nur eingehende Untersuchungen erbringen. Ralf Sotscheck

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