: Funk aus dem Norden
■ Nils Landgren bewies: Soul ist keine Frage der Hautfarbe
Wenn Jan Garbarek elegisch auf seinem Horn klagt oder Karin Krog in ihren Vokal-Exkursionen dem Free-Jazz eine kühle Grundstimmung gibt, dann bestätigt diese skandinavische Musik doch recht genau das Klischee vom nordisch unterkühlten Temperament. Was soll man nun aber von einem Schweden halten, der sich erdreistet, funkigen Souljazz zu spielen und der auf der Schlachthof-Bühne mit seiner Posaune herumtanzt, als wäre er nicht im Velmland sondern in Harlem geboren?
Viel! Denn Nils Landgren wirft die gängigen Vorstellungen über europäischen und amerkanischen, weißen und schwarzen Jazz ohne viel Federlesens über den Haufen. Und er beweist, daß Soul keine Frage der Hautfarbe, sondern der Einstellung ist. Vielleicht eifert er seinen Vorbildern ein wenig zu eifrig nach, aber Nils Landgrens „Funk Unit“ gibt nicht vor, besonders originell zu sein. Mit einer angenehmen Bescheidenheit spielten sie Stücke ihrer Vorbilder nach, und auch Landgrens Eigenkompositionen waren diesen so geschickt nachempfunden, daß man kaum einen Unterschied bemerkte.
Mit dem Finnen Juka Perco hat sich der Posaunist zudem einen Altsaxophonisten in die Band geholt, der abwechselnd wie Adderley und dessen Erbprinz Kenny Garrett klingt und dabei mit Spielfreude und Phantasie brilliert. Auch sonst war die Band ideal mit Nostalgikern besetzt: Egbert Swenson spielte auf einem inzwischen antiquarisch anmutenden Fender-Rhodes E-Piano, und der Gitarrist Hendrick Johnson bastelte sich mit seinen Röhrenverstärkern die schön dreckigen Echo- und Wah-Wah Effekte zusammen, die damals hochmodern klangen und heute zu Zeiten von Sampling und Midi fast so anheimelnd wirken wie Kuhglocken.
Landgren selber spielte sehr sauber, rhythmusbetont und zurückhaltend – oft überließ er seinen Mitspielern die Soloparts und sang stattdessen zwischendurch mal mit viel Gefühl in der Stimme eine Ballade. Ohnehin bläst Landgren viel cooler als Ray Anderson, der andere namhafte Funk-Posaunist. Daß er auch allerhand Techniken wie Überblasen oder das mehrstimmig Spielen im Stil von Mangelsdorff beherrscht, zeigte er als Zugabe in einem unbegleiteten Solo, aber ansonsten hatte man bei diesem Konzert den sehr sympathischen Eindruck, daß Nils Landgren die „Funk Unit“ wichtiger war als sein Ego. Wilfried Hippen
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