: In Brau und Brunnen gefallen
Bavaria-Brauerei wird doch geschlossen. 300 Arbeitsplätze auf St. Pauli werden vernichtet, Senat hilflos ■ Von Heike Haarhoff und Katrin Schnettler
Die Bavaria St. Pauli-Brauerei wird geschlossen. Gestern um 16.40 Uhr drehte der Dortmunder Brau-und-Brunnen-Konzern der Traditionsschenke auf dem Kiez den Hahn ab. Der Aufsichtsrat in Dortmund beschloß, den Produktionsstandort Hamburg zum Jahresende aufzugeben. 300 Beschäftigte werden dann ihren Arbeitsplatz verlieren. Lediglich der Vertrieb mit 200 Beschäftigten soll erhalten bleiben.
„Es tut mir sehr leid, aber der Standort Bavaria ist der schlechteste“, begründete der neue Vorstandsvorsitzende Rainer Verstynen die Entscheidung. Die Produktion der Marken Astra und Ratsherrn sei nur zur Hälfte ausgelastet. Beide Biere sollen deshalb künftig in Berlin, Dortmund und Frankfurt an der Oder gebraut werden. Das Friesische Brauhaus zu Jever ist von der Bavaria-Entscheidung nicht betroffen. Das ebenfalls gefährdete Leipziger Brauhaus zu Reudnitz – wie die Bavaria im Besitz des Dortmunder Getränkekonzerns – ist dagegen gerettet.
Der ersten Sprachlosigkeit über die niederschmetternde Nachricht für Bavaria und St. Pauli folgten Buhrufe, Tränen und Protestgeschrei vor Ort und in Dortmund. Den ganzen Tag lang hatten 450 aus Hamburg angereiste erboste Beschäftigte vor der Konzernzentrale in Westfalen mit Protestfahnen im Regen gegen die Schließung protestiert – vergebens. Der Betriebsratsvorsitzende Werner Henne bezeichnete das Aus als „enttäuschend“ und kündigte „massive Unruhe“ an. „Der Kampf“, so Henne, „hat gerade erst begonnen“. Die Gewerkschaft Nahrung Genuß Gaststätten (NGG) warf der Brau und Brunnen „unverantwortliche Kahlschlagpolitik“ vor. Die Hamburger Beschäftigten müßten jetzt „die Zeche zahlen für die verfehlte Konzernstrategie“.
Unterstützung für die Bavaria-Brauer kam auch aus der Politik. Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus (parteilos) zeigte sich „außerordentlich bestürzt“. Er hatte noch am Freitag behauptet, daß der Aufsichtsrat aufgrund seiner Intervention die Schließungspläne „überdenken wird“, zumal die Beschäftigten mehr als acht Prozent Lohnverzicht angeboten hatten.
Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) bezeichnete die Entscheidung als „völlig inakzeptabel“. Der Senat werde darauf dringen, daß schleunigst Gespräche mit potentiellen Käufern zum Erhalt der Bierproduktion geführt würden. Die Holsten-Brauerei hat bereits Interesse an den Biermarken Astra und Ratsherren bekundet, teilte die Brau und Brunnen AG mit. An den Arbeitsplatzverlusten würde das aber nach Einschätzung eines Bavaria-Sprechers nichts ändern.
GAL-Fraktionschef Willfried Maier rief dazu auf, der Brau und Brunnen AG „die Grundstücksgeschäfte“ auf dem Elbschlößchengelände in Nienstedten und in St. Pauli „zu vermasseln“, sollte die Schließung nicht zurückgenommen werden. Der Konzern könne nicht erwarten, daß Hamburg durch Änderung von Bebauungsplänen den Wert der Bavaria-Grundstücke erhöhe und das Jobkilling noch vergolde. Einen ähnlich lautenden Beschluß hatte die Bürgerschaft erst am Mittwoch einstimmig gefaßt (taz berichtete).
Der neue Brau-und-Brunnen-Chef Verstynen verkündete derweil, aus dem angeschlagenen Konzern wieder ein rentables Unternehmen zu machen. Am Vormittag war der bisherige Vorstandschef Friedrich Ebeling, der die Bavaria-Schließung seit Wochen vehement betrieben hatte, während der Aufsichtsratssitzung überraschend zurückgetreten. Sein Nachfolger Verstynen scheint ein würdiger Erbe zu sein.
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