: Kriegsverbrecher-Rente aus Bremen
■ 186.000 Mark „Opferrente“ für Kriegsverbrecher, weil Bremer Versorgungsamt nicht ermittelte
Der Leiter des Bremer Versorgungsamtes, Jürgen Rabe, hat gestern der Deputation für Arbeit über die Problematik der „Opferrenten“ berichtet. Durch eine Panorama-Sendung am 29.1. war öffentlich geworden, daß das Bremer Amt an zwei SS-Männer seit Jahren „Opferrente“ überweist, die vom „US-Office of Special Investigation“ als Kriegsverbrecher verfolgt werden. Das Bremer Amt verwaltet alle Renten für SS- und Wehrmachtsangehörige, die es nach 1945 vorgezogen haben, nach Süd- oder Nordamerika auszuwandern – derzeit noch 3.000.
Zwei Tage nach der Panorama-Sendung hatte der für das Versorgungsamt zuständige Arbeitssenator Uwe Beckmeyer mitgeteilt, Bremen habe in beiden Fällen das Bundesarbeitsministerium darum „gebeten“, die Zahlungen einstellen zu dürfen. Gestern vor dem Ausschuß berichtete der Amtsleiter, daß es genau andersherum gewesen war: Das Bundesarbeitsministerium habe gedrängt und signalisiert, man werde zustimmen, wenn Bremen in diesen beiden Fällen die „Opferrenten“ streichen würde. Insgesamt aber, so der Amtsleiter, habe das Versorgungsamt nicht die Mittel, um bei den ca. 5.500 betreuten Fällen Überprüfungen anzustellen. Nur wenn es einen „Hinweis“ gebe, dann werde man aktiv.
In Falle der beiden in den USA lebenden SS-Männer war der Hinweis aus den USA gekommen. Das Bremer Versorgungsamt hat zwar bei jedem Antrag ausgiebig untersucht, ob der Antragsteller wirklich eine Kriegsverletzung erlitten hat. Für den Fall des Ciuris Ciurinskas, der durch neonazistische Aktivitäten in den USA aufgefallen ist, hatte das Bremer Amt eine über 100 Seiten starke Akte angelegt und akribisch dokumentiert, wann er verletzt, in welchem Lazarett behandelt und seit wann wehruntauglich geschrieben wurde. Kein einziges Blatt der dicken Akte deutet aber daraufhin, was in historischen Büchern über das 2. litauische Schutzmannschaftsbataillion zu lesen ist: In Weißrußland mordete die Truppe des heutigen „Opferrentners“ tausende von Juden. Das Bremer Versorgungsamt fragte auch nicht bei der Zentralstelle der Staatsanwaltschaft in Ludwigsburg an, die Akten über Naziverbrecher zusammenträgt, ob der Antragsteller dort bekannt sei. Beim Document-Center fragen die Versorgungsämter nach Informationen über die Einheiten, in der die Antragsteller gedient haben, nicht aber nach Erkenntnissen über Kriegsverbrechen.
So stimmt es, wenn der Bremer Versorgungsamtsleiter Rabe gestern den ahnungslosen Mitgliedern der Arbeitsdeputation mitteilte, Erkenntisse über Kriegsverbrechen habe man nicht gehabt. Er hatte auch keine Ahnung davon, daß die Times, zum Beispiel, im Juni 1995 die ganze Geschichte des Kriegsverbrechers Ciurinskas an prominenter Stelle verbreitet hatte. Nur eines wußte die Times damals nicht, daß Ciurinskas nämlich seit 1967 insgesamt 186.000 Mark „Opferrente“ über das Bremer Amt erhalten hat.
Im Unterschied zu den Bremer Behörden fragte das US-Office bei den einschlägigen Informationsstellen an und trug das zusammen, was jeder erfahren kann, der sich bemüht. Erst als die US-Behörde die komplette Akte nach Deutschland schickte, hielt der Bremer Amtsleiter einen „Hinweis“ in der Hand. Wochen vergingen, nichts passierte. Als Panorama den Fall publik machte, ging dann alles sehr schnell. K.W.
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