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Auch 007 muß öfter bangen

■ Sitzfleisch und Losglück sind Schlüsselqualifikationen, wenn Studierende über Tusma und Heinzelmännchen Jobs suchen. Steuerabgabe für Studis vertreibt Auftraggeber

001 hat die Lizenz zum Arbeiten. Todsicher. Deshalb wollen sie alle 001 sein: 200 arbeitswillige Studis quetschen sich allmorgendlich in der schmucklosen Baracke der studentischen Arbeitsvermittlung Tusma e.V., um eine günstige Losnummer zu erhaschen. Die Nummer 001 hat das erste Zugriffsrecht auf die Jobs vom Tage. Die 007 ist auch nicht schlecht – aber so ab Nummer 040 beginnen meist die Nieten. „Mit 'ner hohen Losnummer kannste gleich abtreten“, weiß Medizinstudi Kai. Punkt acht Uhr: Ein einziger Job wird für die 200 Wartenden ausgerufen. 001 gewinnt.

Der Preis ist heiß – auch für die Arbeitgeber. Für manche zu heiß: Denn seit Oktober müssen jobbende Studis, die mehr als 610 Mark (West) bzw. 590 Mark (Ost) verdienen, 10,15 Prozent Rentenversicherung abdrücken. Viele Firmen schrecken vor den Mehrkosten für die Sozialversicherung und vor dem Verwaltungsaufwand zurück. Fünf Prozent der Stammauftraggeber liefen der Tusma, der Jobvermittlung von TU und HU, bislang davon. Ihr FU-Pendant, die Heinzelmännchen, registrierten einen Rückgang der angebotenen Jobs um 15 Prozent. Ein gemeinsamer Abrechnungsservice der beiden gemeinnützigen Jobvermittler soll die Arbeitgeber nun bei der Stange halten. So wollen sie das Stellenangebot auf Dauer sichern – denn schon versucht private Konkurrenz, die arbeitswilligen Studis zu ködern.

Die beißen in der Hauptstadt überall an, wo ein Job am Haken zappelt: „Die Arbeiten, die ich hier in Berlin mache, würde ich in Frankfurt nicht annehmen“, sagt der Exilhesse Jan, Soziologiestudent, der wie die anderen sein Sitzfleisch im Warteraum malträtiert. Knochenarbeiter sind hier gefragt: Am Fließband schuften, Umzugskartons schleppen und natürlich auf dem Bau rackern sollen die Berliner Studis vorzugsweise. „Das ist hier ja fast eine Bauvermittlungsstelle“, beschwert sich Kerstin, die heute bis zwölf Uhr im Tusma-Container ausharren will – trotz ungünstiger Losnummer. Sie müsse sich voll über die Arbeit finanzieren, brauche unbedingt etwas Längerfristiges. Die Bezahlung sei zwar o.k., oft zwischen 15 und 17 Mark – doch gerade für Frauen stehe nur ein dürftiges Angebot bereit. „Die Vermittlung muß einfach mehr Jobs an Land ziehen“, meint die Lateinstudentin.

Jobs, Jobs, Jobs – Kazim Karadag, Vorstandsvorsitzender der Tusma, versucht reinzuholen, was der Markt hergibt. Regelmäßige Mailing-Aktionen sollen die Arbeitgeber motivieren. „Aber für große Werbeaktivitäten haben wir einfach kein Geld“, so Karadag. Allein die Werbefläche eines BVG-Busses zu mieten würde 6.000 Mark kosten – zuviel für die studentisch verwaltete Tusma, die sich ausschließlich aus den 2,5 Prozent vom Bruttolohn jedes Vermittelten finanziert.

Die Vermittler bemühen sich, das Los der jobsuchenden Studis zu erleichern: Wer schon was Handfestes gelernt hat, kann über die Sondervermittlung qualifizierte Jobs bekommen. Wenn Probleme mit dem Arbeitgeber drohen, hilft die Rechtsberatung, und bald gibt es sogar einen Tusma- Online-Dienst. „Seit 1948 führen Studenten diesen Laden, und er funktioniert immer noch“, sagt Karadag stolz. Doch wenn die Studierenden auch noch Krankenversicherung zahlen müßten, räumt er ein, käme wahrscheinlich das Aus.

Das wäre für ausländische Studierende besonders schmerzlich: „Über die Zeitung habe ich wahrscheinlich keine Chance“, glaubt Jurastudentin Patricia aus Kamerun. Tusma-Vermittler Karadag ist mit den alltäglichen Rassismen im Arbeitsleben vertraut. „Die deutschen Arbeitgeber haben ein bestimmtes Bild im Kopf, da paßt ein Farbiger oft nicht rein“, sagt er. Die Tusma könne eine gewisse Anonymität bei der Suche bieten.

Aber keine Gewähr, das alles glattgeht. Zum Vorstellungsgespräch eingeladen sein – und beim ersten Blickkontakt ist der Job schon vergeben: Patricia kennt solche Situationen. Das verletzt, schreckt ab, doch sie braucht die Arbeit. So gesellt sie sich zu dem Häufchen Unentwegter, die auch noch um neun Uhr auf harten Plastiksitzen verharren.

Schmilzt in Zukunft die Zahl der Gewinnerlose und wuchern die roten Bilanzzahlen, befürworten die beiden gemeinnützigen Vermittler eine noch engere Zusammenarbeit. „Wir wären schon an einer Fusion interessiert“, gibt Tusma-Vorstand Karadag zu. Er bevorzugt ein Tusma-Modell unter Regie von Studierenden. Doch auch Heinzelmännchen-Leiter Fred Hamann will nach seinen Spielregeln vermitteln: „Das Studentenwerk erbringt traditionell vielfältige Dienstleistungen. Auch die Jobvermittlung.“ Man sei jedoch offen für Kooperationspläne, allein wegen der Einsparpotentiale. Klemens Vogel

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