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Parkstreuner, Probleme und Pausenbrote

■ Große klasse: Der Hamburger Gerd Fuchs hat mit „Fuffy und Max“ ein Jugendbuch geschrieben, das mit dem Klischee vom armen Schlüsselkind aufräumt

Problemkinder haben aus Problemfamilien zu kommen. Wenn ein Mädchen nach Schulschluß durch den Park trödelt, verkleben Assoziationen zu Vorurteilen, fallen Worte wie „zerrüttetes Heim“, „beide Elternteile berufstätig“, „Schlüsselkinder“ eben. Moral- und haltlos.

Max glaubt das nicht. Ihn stört es einfach, das Mädchen mit dem Schulranzen, das um ihn herumstromert. Soll sie ihn doch träumen lassen auf einer Wiese bei „Planten un Blomen“. Nervig. Denkt's und packt Fuffy an den Fußgelenken, daß sie auf den Hintern fällt. Entsetzt ist sie nicht, nur neugierig. Sie zückt ihre Pausenbrote und erfüttert sich Max' Zuneigung.

Die Situation scheint klar in Gerd Fuchs' Jugendbuch Fuffy und Max: Fuffy braucht Freunde, meint man, weil ihre Eltern sie ignorieren. Max ist schon 16 und paßt deshalb auf sie auf. Elf Seiten lang halten sich diese Klischees. Dann wird klar, daß Max mindestens genauso viele Probleme hat wie seine jüngere Freundin. Er ist abgehauen, weil sein Vater wieder heiraten will. Jetzt lungert er auf dem Kiez herum. Schläft erst in einer Pension, dann bei Obdachlosen. In einer Disko läßt er sich zum Dealen überreden.

Präzise und nüchtern beschreibt der Hamburger Autor Gerd Fuchs, wie Fuffy Max dazu bringt, nach Hause zu gehen. Denn Max ist kein Opfer elterlichen Scheidungskriegs. Der Sechzehnjährige ist schlicht ein Verwirrter, der sich selbst oft und andere manchmal nervt, ein Gratwanderer zwischen Erwachsensein und Kindertrotz.

Der 65jährige Autor legt Max Gedanken in den Kopf, die manchmal altklug daherkommen, aber nie moraltriefend. Er philosophiert über Vatergefühle zu pubertierenden Söhnen und das Vergnügen daran, gestreichelt zu werden. Lästig werden diese Gedanken nur, wenn Sätze mit „Frauen sind ...“ beginnen. Dann fühlt sich Max im nächsten Halbsatz gewöhnlich von seiner Freundin manipuliert oder von Frauen allgemein mißverstanden, ganz nach Art vorurteilsschwerer Erwachsenen-Literatur.

Seit mehr als dreißig Jahren schreibt Gerd Fuchs Romane und Erzählungen für Erwachsene, darunter Stunde Null und Ein Mann fürs Leben. Fuffy und Max ist das dritte Jugendbuch des ehemaligen Welt- und Spiegel-Redakteurs.

Das meiste kommt durch und durch realistisch daher. Nur selten darf sich etwas Märchenhaftes ereignen. Aber wenn es dann passiert, gibt es einen Glücks-Rundumschlag. Fuffy setzt sich auf eine Orangenkiste, und zehn Obdachlosenherzen schmelzen. Max arretiert in einem halben Absatz einen Drogendealer und wird selbst nicht mit Haschisch ertappt. Doch nicht alles wird am Ende gut: Ausgerechnet die Freundschaft zwischen Max und Fuffy ist am Schluß angeknackst.

Judith Weber

„Fuffy und Max“, Verlag Nagel & Kimche, Zürich 1997, 117 Seiten

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