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Karrierefrauen gegen Klagelieder

GAL-Programm: Gewalt kein frauenpolitischer „Wahlkampfschlager“  ■ Von Silke Mertins

„Ein Frauen-Wahlprogramm liest doch kein Mensch mehr“, glaubt die GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Dorothee Freudenberg-Hübner. Die weiblichen Grünen und potentiellen Wählerinnen „wollen nicht nur als Opfer gesehen werden“. Und schon gar nicht abseits stehen. Zum Beispiel in einem Sonderteil des Wahlkampfprogramms, Abteilung Frauenpolitik. „Gewalt gegen Frauen“ sei zwar ein „ganz, ganz wichtiges Thema“, doch es sei bei der Rechtspolitik viel besser aufgehoben. Integration statt Separation.

Kein Zweifel: Nach einer verschlafenen Legislaturperiode hat sieben Monate vor der Wahl die Suche nach einem frauenpolitischen Profil begonnen. Doch welcher Weg führt zum chauvifreien Garten Eden? „Das Wort Feminismus darf man gar nicht mehr in den Mund nehmen“, schimpft Marie Krimmer, Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Frauen. Nur „Erfolgsthemen“ seien gefragt.

Frauen und Arbeit sowie Gewalt gegen Frauen wollte die LAG zu Schwerpunkten eines feministischen Wahlkampfprogramms deklarieren. Doch es kam alles anders: Neben den beiden Landesparteisprecherinnen Krista Sager und Antje Radcke tauchte am vergangenen Wochenende überraschend ein ganzer Trupp Realas auf der Frauen-Mitgliederversammlung auf, um den LAG-Entwurf auseinanderzupflücken.

Gewalt gegen Frauen sei „nicht gerade ein Wahlkampfschlager“, so Ulla Bussek, GALierin und Vizepräsidentin der Bürgerschaft. „Man muß sehen, daß man vorwärts kommt“, und nicht nur „Altbackenes und Altbekanntes“ verbreiten. Die LAG übersehe völlig, daß eine weibliche Spitzenkandidatin, nämlich voraussichtlich Krista Sager, ein gehöriges Stück GALischer Frauenpolitik bedeute. Überhaupt sei die LAG ein „ganz kleiner Club“, dessen „Funktion unklar ist“, ergänzt Freudenberg-Hübner. Statt per eigenem Programm solle Frauenpolitik als Querschnittsaufgabe in die Fachbereiche eingegliedert werden.

„Zerstückelung“ nennen das die LAG-Mitglieder und sind bestürzt. Sie befürchten, daß wichtige Themen wie die Umverteilung von Arbeit zwischen Frauen und Männern im Gesamtprogramm untergehen. „Wir wollten gerade unpopulär gewordene Themen wie Gewalt wieder auf die politische Agenda setzen“, betonte LAG-Mitglied und ehemalige Landesvorständlerin Jule Endruweit. „Das droht jetzt alles unter den Tisch zu fallen“, ergänzt LAG-Frau Nina Feltz.

Da man nach fünfstündiger Diskussion lediglich zu dem Ergebnis kam, daß es eine Frauenpräambel im Programm geben soll, wird inhaltlich am 9. März weiterdebattiert. Dann dürfte es erneut hoch hergehen. Ein Selbstgänger ist nicht einmal das Thema Abtreibung. Angesichts immer neuer Frühuntersuchungen an Embryos, erklärt Gesundheitspolitikerin Freudenberg-Hübner, bestünde die Gefahr, daß Frauen eine Abtreibung von „der Qualität oder dem Geschlecht“ abhängig machten.

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