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Steffi war Tanjas Ende

■ Der Sportstar hat ja seine eigene Soap: Fernsehmacher begründen, warum Sport als Serienstoff angeblich nicht taugt

Ein Drehbuchautor tüftelt an einer serienfähigen Geschichte fürs Schweizer Fernsehen. Ein junges Mädchen soll vom sportlichen Nobody zur Grand-Slam-Siegerin aufsteigen. Die Fernsehmacher stöhnen, denn das Opus hat ein teures Produktionskonzept. Der Programmdirektor gibt schließlich sein Jawort, widerruft jedoch, als ihm die real existierende Tennisgeschichte um Martina Hingis dazwischenkommt. Der Zuschauer kann nun alles billiger, echter und noch dazu live sehen. Die TV-Serie hat den Wettlauf mit der Zeit verloren.

Dieser Fall ist hypothetisch: Im Prinzip aber kann es jedem so gehen, der es wagt, in TV-Soaps Sport in den Mittelpunkt zu stellen. Was daherkommt wie ein Witz aus Schweizer Bergen, hat sich in ähnlicher Form in deutschen Produktionsstuben abgespielt.

„Lindenstraße“-Produzent Hans W. Geißendörfer wollte einst die Figur der Tennisspielerin Tanja Schildknecht auf die Siegesstraße bringen. „Wir haben aufgehört mit der Tanja Schildknecht, weil es Steffi Graf dann gab. Es war ganz klar, das geht nicht, wenn die Tanja bei uns eine fiktive Laufbahn gemacht hätte vom Münchener Lokalmatador über die deutsche bis zur Weltmeisterschaft. Und gleichzeitig gibt es das in der Realität, und jeder Zuschauer weiß, wie das ablaufen muß.“

Soaps und Sport haben's auch aus anderen Gründen schwer. Der verwöhnte Zuschauer möchte keine mittelmäßigen Jogger und Kicker, sondern ausschließlich Profiqualität. Am besten den Star selbst. Sportler und Schauspieler treffen sich jedoch selten in einem Körper. Wer gut schauspielert, kann selten Fußball spielen. Wer jedoch beispielsweise gut Fußball spielt, kann kaum schauspielern, außer im Strafraum.

Sind deshalb Sportgeschichten in Komödien so selten? Andreas Engelmann, Kölner Drehbuchschreiber für TV-Serien („Der Fahnder“), zählt noch andere Gründe auf. Für den Zuschauer sei Sport eine ernste Sache. Und daher das Veräppeln von Hochleistungssportlern verpönt. „Wir haben mal vor Jahren der ,Verstehen Sie Spaß‘-Redaktion den Vorschlag gemacht: Wenn Frau van Almsick mal bei einem nicht ganz so wichtigen Wettbewerb schwimmt, könnte man doch durch einen technischen Trick innerhalb von zwei Minuten das ganze Schwimmbad leeren.“ Der Redakteur fand das ganz witzig, fürchtete aber, die Seher würden es übelnehmen. Also weg mit der Quotenkiller-Idee.

Wozu soll man auch einen Film in einem häßlich chlorigen Schwimmbad spielen lassen?. Es gibt ja noch grüne Wiesen in Deutschland. Eine TV-Serie zum Thema Fußball trifft auf andere Schwierigkeiten. Zweiundzwanzig Fußballbeine schlagen Löcher in den Produktionsetat. Und Drehbuchautoren kriegen ihre Kompositionsprobleme, sagt Serienschreiber Engelmann: „Es ist ein ehernes Gesetz des Drehbuchschreibens, daß man nicht zuviel Personal verwursten darf. Man müßte das fokussieren auf den Mittelstürmer oder den Torhüter und zwei, drei Freunde drumherum.“

Somit bleibt nur der dramaturgische Ausweg Einzelkampf. Der Held, ein Zehnkämpfer, fightet gegen Widrigkeiten wie Sabotage, Doping und anderes Herzeleid. Das aber würde wohl ein echt deutsches Stück. Mit Tiefgang und ziemlich düster, wäre es kaum mit Sonnyboy Jürgen Hingsen oder dem guten Busemann zu besetzen.

Ganz profan erklärt Christiane Ghosh die Sportferne. „Soaps werden ja zum großen Teil in Innendekorationen aufgezeichnet, das ist halt produktionsbedingt. Und Sport kann man in den seltensten Fällen innen ausüben“, sagt die RTL-Programmleiterin („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, „Unter uns“).

Im letzten Jahr gab es eine Ausnahme: Beachvolleyball war drehbuchkompatibel und zur Olympiazeit zudem trendy. So geschah es, daß sich die deutschen Olympia- teilnehmerinnen Beate Bühler und Danja Musch „Unter uns“ mischten. Gerd Michalek

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