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Kirch zürnt wegen Kohl-Kritik

■ Leo Kirch blockiert bei Springer-Aufsichtsrat. Nun will er den Chefredakteur der „Bild am Sonntag“ austauschen lassen

Die Wege gehören zu den kürzesten, die es in Bonn gibt: Zwischen Kanzleramt und den Springer-Massenblättern Bild und Bild am Sonntag (BamS) herrscht eine Symbiose, so eng, daß sie schon durch die kleinsten Abweichungen getrübt werden kann. Etwa als im Oktober BamS-Chefredakteur Michael Spreng einen kritischen Kommentar schrieb: „Kanzler in den Wolken“. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Sofort soll Kanlzeramtsminister Andreas Fritzenkötter über den „schädlichsten und unverständlichsten Angriff auf die Bundesregierung“ gezürnt haben, um dann beim Bild- Vize und Kanzlerbiograph Kai Dieckmann zu antichambrieren.

Ein anderer kurzer Weg: der zum Münchner Medienunternehmer Leo Kirch, dem mindestens 35 Prozent bei Springer gehören. Im Springer-Aufsichtsrat hat Kirch- Mann Joachim Theye für die Ablösung des Kanzlerkritikers Spreng plädiert, berichtet das Hamburger manager magazin. Bereits seit anderthalb Jahren hatte Kirch wegen eines kritischen Kommentars offen die Ablösung von Welt-Chefredakteur Thomas Löffelholz betrieben – ebenfalls mit Unterstützung Kai Dieckmanns.

Der neue Konflikt kam Kirch gerade recht: Seit Jahresende liegt der Münchner wieder einmal mit Springer-Chef Jürgen Richter über Kreuz. Es geht um den Defizitsender Sat.1, wo Kirch das Rad dreht und über Filmdeals als einziger Geld erlöst. Richter hatte zunächst die Springer-Anteile auf 40 Prozent erhöht und versucht seitdem seinen Einfluß zu steigern. Daß es aber auch um die Macht im Springer-Verlag geht, den Richter profitabel zu managen weiß, zeigen Konflikte in Springers Aufsichtsrat: Seit Januar versucht Kirch-Anwalt Joachim Theye, das Gremium über unzählige Vorlagen zu blockieren. Mal geht es darum, wie profitabel Bild der Frau ist, mal um den Chefredakteurswechsel bei der abgestürzten Hör zu. Springer- Sprecherin Edda Fels weiß hingegen nichts von einem Obstruktionskurs Theyes: „Das ist kompletter Unsinn.“

Am nächsten Mittwoch begegnen sich Richter und Theye in einem anderen Gremium, dem Aufsichtsrat von Sat.1. Da könnte es auch um den Vertrag von Programmgeschäftsführer Fred Kogel gehen, den Kirch einst installierte. Den wiederum würde Richter gerne ablösen, wie er bereits öffentlich kolportierte. Sein Selbstbewußtsein gegenüber Kirch kann sich Richter leisten. Laut Branchengerüchten hat Kirch seine Springer-Anteile bei der Berliner Bank beliehen, und solange er bei den Verhandlungen mit Bertelsmann und Canal + um eine Verbindung von Premiere mit seinem Digital-TV DF1 keine guten Konditionen erreicht, steckt er möglicherweise finanziell in der Klemme. Wie es aussieht, kann Richter, der Springer-Witwe Friede fest an seiner Seite weiß, sogar gestärkt aus dem Konflikt hervorgehen. Lutz Meier

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