"Alle da, außer Erich Honecka"

■ Zwischen den West- und Ostberliner Eishockeyklubs herrscht heftige Rivalität. Dazu Rene Schweigel (30) aus Blankenburg vom Fanklub "Spreebären" des EHC Eisbären Berlin

Immer, wenn die Eisbären in der Vergangenheit auf die Capitals trafen, ging's rund. Mal sehen, was beim heute in Hohenschönhausen stattfindenden Ortsderby los ist.

taz: Wie fühlt man sich als Fan, wenn der eigene Klub nicht mehr die Hucke vollkriegt, sondern in der Meisterrunde mitspielt?

Rene Schweigel: Gut, aber das ist nicht entscheidend. Als wir vorher ständig am Tabellenende standen, war die Hütte genauso voll. Was bei den Capitals nicht so ist. Die haben vielleicht rund 500 Hardliner, der Rest ist mehr wie Tennis-Publikum – aufstehen, klatschen, hinsetzen. Als wir beim Ortsderby vor kurzem eine 2:10-Packung kriegten, waren wir bereits fünf Minuten nach Abpfiff allein in der Halle, wo wir unser Team trotzdem noch feierten. Deshalb gelten wir auch als die besten Fans der Liga.

Gibt es eigentlich auch Westberliner Eisbären-Fans?

Neulich haben wir welche getroffen, ein älteres Ehepaar. Denen hat es bei den Capitals von der Stimmung her nicht mehr gefallen. Jetzt kommen die immer zu uns. Es gibt ein paar von drüben.

Haben die keine Probleme mit euren nicht gerade wessifreundlichen Chören?

Nee, die finden es auch lustig, wenn wir rufen: „Alle sind wir da, außer Erich Honecka.“ Das ist unsere Antwort, wenn der Stadionsprecher bekanntgibt, daß die Halle wieder mal ausverkauft ist. Ist doch lustig, oder? Was die Wessis betrifft, so mußten wir uns von denen auch schon 'ne Menge anhören. In Ratingen wurde unser Klub mal in der offiziellen Stadionzeitung als EHC Stasi Berlin angekündigt. Da mußten wir natürlich kontern und sangen halt: „Wir sind alle bei der Stasi, hejo, hejo.“ Da haben die geguckt.

Und die Ironie verstanden?

Weiß ich nicht, aber wir haben's ja auch nicht verstanden, daß die uns in der Zeitung als Stasi-Verein abstempelten. Seitdem schleppen wir auch die alten Ostfahnen von der FDJ, Dynamo und dem FDGB mit zu den Auswärtsspielen. In unserem Stadion sind sie mit der Begründung verboten worden, Heimspiele seien keine politische Veranstaltung, sondern eine sportliche.

Hat es euch sehr geärgert, als Stasi-Verein verschrien zu sein?

Eigentlich nicht. Desto mehr wir verspottet wurden, desto mehr Leute kamen wieder zurück zu den Spielen. Irgendwo haben wir uns nichts mehr aus der Sache gemacht und eben einfach gesungen: „Wir sind alle IMs.“

Oder auch: „Wer soll unser Führer sein? – Erich Mielke.“

Das kommt eher von den Fußballern, also den Fans des FC Berlin, der ja aus Mielkes Lieblingsverein BFC Dynamo hervorging. Von denen kommen einige inzwischen regelmäßig zu uns. Wir sind doch fast der einzige Ortsverein im gesamten Sport, der überhaupt noch ganz oben mitspielt. Mittlerweile kommen die Leute aus der ganzen Region, weil sich die gute Stimmung bei uns eben rumgesprochen hat.

Wie der Spruch „Haut den Preußen die Schädeldecke ein“?

Wie gesagt, das kommt vor allem von den Fußball-Hooligans. Eishockey-Fans sind eigentlich friedliche Leute, uns interessiert das Sportliche und der Spaß dabei. Etliche sind sogar vom Fußball zu uns gewechselt, weil sie genug haben von der Randale.

Würdest du dich zu den DDR- Nostalgikern zählen?

In der DDR bin ich ziemlich ausgeflippt, weil ich nicht begreifen konnte, daß ich meinen Vater im Westen nicht besuchen durfte. Aber ich hatte meine Arbeit und auf dem Bau gutes Geld verdient. Nach der Maueröffnung bin ich mal rüber zu meinem Vater. Die Wohnung in Wedding war Hinterhaus mit Außentoilette. Da habe ich gemerkt, daß das nichts anderes ist als bei uns. Und dann das Werfen von Kaffeepäckchen für die Ossis, das war doch wie Affenfüttern. Damals wurden wir mit Sekt empfangen, heute schmeißen sie uns sozusagen die leeren Flaschen hinterher. Erst hat der Westen ein Land gekauft, jetzt würde er die 17 Millionen Leute am liebsten entsorgen.

Bist du sauer, wenn euch Wessis „asoziale Ossis“ nennen?

Klar ärgert einen so was. Die meisten von uns sind schließlich stolz, Ossis zu sein. Gerade bei den Derbies werden wir wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Während in der Preußenhalle alle normales Bier bekommen, kriegen wir nur Jever light. Auch die Polizei hat uns auf'm Kieker, obwohl es nie Ausschreitungen gab.

Es ist nicht nur Gaudi wenn ihr eure Anti-Wessi-Sprüche singt?

Wir wurden nun mal in die Ecke geschoben, und aus der kommt man so leicht nicht wieder raus. Aber Trotz und Spaß halten sich etwa die Waage. Wenn die anderen Fans singen „Eisbären in den Zoo“, dann antworten wir eben: höchstens in den Tierpark, denn mit dem West-Zoo haben wir nichts zu tun.

Die Politikerreden vom Ost- West-Zusammenwachsen können euch nicht beeindrucken?

Wenn der Diepgen mal in unseren Wellblechpalast kommt, wird er meistens gnadenlos ausgepfiffen. Der will sich doch nur einkratzen. Der einzige gute Wessi ist unser Manager Berg, obwohl der von den Preußen kam. Interview: Gunnar Leue