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Ein toter Deutscher als Fanal für die Rechten

■ In Aschaffenburg mobilisiert ein Bündnis gegen den rechtsextremen „Hans- Münstermann-Gedenkmarsch“. Nach Absage der NPD taucht neuer Anmelder auf

Aschaffenburg (taz) – Aschaffenburgs Oberbürgermeister Willi Reiland (SPD) ist zufrieden. Die rechtsextreme NPD hat ihre für nächstes Wochenende angekündigte Demonstration abgeblasen. Die Partei habe „letzten Endes doch kapiert, daß Aschaffenburg nicht die richtige Plattform für ihre Aufmärsche ist“.

Reilands Freude dürfte nur von kurzer Dauer sein. Zwar findet der „Hans-Münstermann-Gedenkmarsch“, der zur zentralen Veranstaltung der deutschen Neonazi- Szene geworden ist, nicht statt. Doch zur Entwarnung gibt es keinen Grund. Denn prompt hat sich ein neuer Anmelder gefunden. Die Stadt will die nun geplante Demonstration der „Anti-Antifa Bayern“ verbieten. Aschaffenburg ist seit 1993 ein beliebter Demonstrationsort der rechten Szene. Damals wurde in den frühen Morgenstunden des Faschingsdienstags in der Aschaffenburger Innenstadt der 20jährige Hans Münstermann im Verlauf einer Schlägerei durch einen Messerstich ins Herz getötet. Während die Polizei in den Flüchtlingsunterkünften nach „Südosteuropäern“ fahndete, kursierten in der Stadt Gerüchte, Ausländer hätten den jungen Deutschen festgehalten, damit ein anderer Ausländer ihn niederstechen konnte. Die Stimmung war entsprechend aufgeheizt, als sich am Samstag nach dem Todesfall etwa 800 Menschen zu einem Trauermarsch in der Innenstadt versammelten. Aufgerufen hatten nicht nur die „Eltern und Freunde von Hans“, sondern auch der rechtsextreme „Deutsche Freundeskreis“. Örtliche Neonazi-Größen wie Falco Schüssler, Landeschef der verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP), marschierten Seite an Seite mit dem CSU- Landtagsabgeordneten und damaligen Oberbürgermeisterkandidaten Manfred Christ.

Vom Urteil, das die Erste Große Strafkammer des Aschaffenburger Landgerichts drei Monate später fällte, lassen sich die Rechtsextremisten bis heute nicht beeindrucken. Das Gericht billigte dem 22jährigen Albaner Arben R. bei seinem Messerstich Notwehr zu und fand heraus, daß Hans Münstermann zusammen mit seinem Freund, dem damaligen FAP- Kreisvorsitzenden Robert Iliazovic, in die Schlägerei verwickelt war. 1994 folgten gerade mal 30 Neonazis dem Aufruf von NPD und ihrer Nachwuchsorganisation, den Jungen Nationaldemokraten (JN), zum „Münstermann-Gedenkmarsch“. Dank der bundesweiten Mobilisierung über die „Nationalen Info-Telefone“ marschierten 1995 schon 120 Rechtsextremisten durch die Aschaffenburger Innenstadt. Ein Jahr später wurde der „Münstermann- Marsch“ mit 350 Teilnehmern schließlich zur größten Neonazi- Demonstration des Jahres.

„Die Stadt am Main avanciert zur Kultstätte des Rechtsextremismus“, warnte das örtliche Main- Echo. Im Gegensatz zu den Vorjahren formierte sich dieses Mal in der Mainstadt jedoch ein breites Bündnis aus DGB, SPD, Bündnis 90/Die Grünen sowie autonomen und antifaschistischen Gruppen gegen den Aufmarsch. „Man muß diesem Spuk ein Ende setzen“, forderte Aschaffenburgs Polizeichef Gosbert Dölger, der dieses Jahr mit etwa 1.000 Neonazis gerechnet hatte. Die Polizei verstärkte die Observation des örtlichen Anmelders, des JN-Pressesprechers Klaus Beier. Angesichts der in Aschaffenburg nun zu erwartenden „geheimdienstlich gesteuerten Autonomenbanden“ zog Beier seine Anmeldung zurück.

Er stellte aber zugleich klar, daß die Veranstaltung künftig wieder aufgegriffen werde. Man wolle den Aufmarsch zum „Kernpunkt des Widerstands gegen die zunehmende Inländerfeindlichkeit“ entwickeln. Gunnar Schedel, Sprecher des „Bündnisses gegen Rechts“, wertet den Rückzug der NPD als „vollen Erfolg“. Mit dem Bündnis habe man den „Mythos“ zerstört, die schweigende Mehrheit in der Stadt sympathisiere mit den Rechtsextremen. Angesichts der unklaren Situation der erneuten Anmeldung von rechts wird die Gegendemonstration (Treff: Samstag, 15 Uhr an der Stadthalle) auf jeden Fall stattfinden. Paul Harbrecht

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