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Zarte Symbole

■ Auch Bienen sind willkommen in der fremden und teilweise sehr seltsamen Welt: Indien, Niger, Japan in Forum-Filmen

Angespannt schaut man als Zuschauer auf die Leinwand, wenn Filme aus Ländern laufen, die sonst nie im Kino zu finden sind. In Indien zum Beispiel werden pro Jahr über 600 Filme produziert. Trotzdem bleibt die Geschichte von Parash Kamdars „Tunnu Ki Tina“ ziemlich rätselhaft, mit seinen großen Gefühlen, die doch nur im verborgenen stattfinden.

Erotische Szenen werden gleich verschämt wieder ausgeblendet, sobald eine unbedeckte, womöglich weibliche Schulter im Bild erscheint. Dialoge knüpfen sich um zarte Symbole, die Handlung offenbart sich erst auf einer entfernten metaphysischen Ebene. Am Ende des Films, der als „Bollywood“-Parodie „voller Action, Glamour, Liebesgeschichten und Sex“ angekündigt worden war, liegen Väter, Mütter, Schwestern und Geliebte tot oder schwer verzweifelt darnieder. Und der Sohn wird Immobilienhändler.

Nebenbei ist „Tunnu Ki Tina“ eine Parabel auf das Elend der indischen Mittelschicht, die sich mühevoll nach den Jahren der britischen Kolonialisierung gebildet hat. Stolz weist der Wohnungsmakler die neuen Mieter darauf hin, daß das Bett aus den 20er Jahren stammt und also Empire-geprüft ist. Vielleicht hat Tunnu aber alles nur geträumt, so wie der sonst moppelige junge Mann plötzlich perfekte Musical-Nummern beherrscht, um im nächsten Augenblick melancholisch auf seine Schulbank zu sinken.

Das ist sehr verwirrend, und manchmal hilft einem selbst die Tatsache nicht weiter, daß die Filme fremder Völker Leben dokumentieren. Jean Rouchs „Moi fatigué debout, moi couché“ etwa ist um einen knorrigen Gao-béri- Baum angesiedelt. Die Männer aus Niger legen sich in seinen Schatten und schlafen einfach, wenn die Dürrezeit beginnt.

Dann erscheinen Göttinnen im Traum, denen später Hühneropfer gebracht werden. Das Dorf verfällt in einen Trance-Zustand, der sich ebenso spielerisch wieder auflöst. Natürlich setzt kurz darauf eine gewaltige Flut ein. Währendessen unterhält Rouch sich im Off mit seinen Protagonisten, die erklären, wie sehr Realität von den Launen der Götter abhängt. Auch Bienen sind willkommen, weil sie die Hirse-Felder fruchtbar machen.

Völlig durchgedreht verlagert sich Wirklichkeit im japanischen Kino. Dort hängt alles von Wille und Vorstellung ab. Sakiko lebt in Shinobu Yaguchis „Himitsu No Hanazono“ nur mit einem Ziel: Sie will Geld zählen – aber nicht das anderer Leute. Bei einem Bankraub wird das störrische Mädchen als Geisel verschleppt, kann jedoch nach einem Autounfall entkommen. Der Koffer mit der Beute versinkt derweil in den Sümpfen am Fuße des Fujiyma.

Seine Rettung wird für Sakiko zur Lebensaufgabe: Aus Liebe zum Geld lernt sie tauchen, bergsteigen und Auto fahren; um das Gelände zu erforschen, studiert sie Geologie. Jahre ziehen ins Land, ohne das sie altert, weil nur der Wunsch das Leben bestimmt. Zum Schluß wirft sie alles Geld in eine Schlucht und macht sich auf den Weg ins Bermuda-Dreieck. Das Ganze hat durchaus philosophische Bedeutung, sagte Shinobu Yaguchi leise am Ende des Films. Harald Fricke

„Tunnu Ki Tina“. Indien 1996, 120 Min. Regie: Paresh Kamdar. Heute: 22.15 Uhr Akademie

Rouch: „Moi fatigué debout, moi couché“, F/Niger 1997, 90 Min. Regie: Jean Rouch

Shinobu Yaguchi: „Himitsu No Hanazono“, Japan 1996, 83 Min.

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