Der Krimi als Blues

■ Einmal in Schwung gekommen, ist er nicht zu stoppen: der arbeitslose Fred in „Fred“ von Pierre Jolivet (Panorama)

Zu Beginn erklingt Bluesmusik, die prima zu den identisch aussehenden Siedlungshäuschen paßt, wo schon nach kurzer Zeit der Putz von der Decke bröckelt. Seit die Fabrik geschlossen wurde, leben in der Siedlung hauptsächlich Arbeitslose, zweihundert an der Zahl. Zu ihnen gehört auch der ehemalige Kranführer Fred, der sich nun vor allem mit Staubsaugen und Biertrinken beschäftigt. Ein Mann, der mit seinen breiten Koteletten und dem Schnauzbart nicht aussieht wie jemand, den man unbedingt kennenlernen möchte. Das Konto ist überzogen, die Rechnungen bleiben unbezahlt: „Fred“ – das ist der Blues in der Vorstadt.

Irgendwann gerät Fred in den Verdacht, einen Mann getötet zu haben. Er möge ihm nur einen guten Grund nennen, warum er ihm seine wirren Unschuldsbeteuerungen abkaufen solle, sagt der Kommissar zu Fred. „Um mir einen solche Geschichte auszudenken, bin ich viel zu dumm.“ Langsam wird Fred doch noch sympathisch.

Für den Krimiplot – eine verzwickte Bauskandalgeschichte – interessiert sich Regisseur Pierre Jolivet allerdings nur am Rande. Die Schüsse fallen im Off, dann wankt jemand zum Sterben vor die Kamera: Die Inszenierung von Spannung ist Jolivets Sache nicht. Ihm geht es um die Menschen und die Folgen der Arbeitslosigkeit.

Da gibt es den Nachbarn, der sich aus Geldmangel in eine krumme Sache eingelassen hat, oder den ehemaligen Kollegen, der in der Fabrikruine noch einmal seinen alten Arbeitsplatz aufsucht. Vor allem aber hat Fred in der Aufdeckung des Skandals endlich eine Aufgabe gefunden. Einmal in Schwung gekommen, ist er nicht mehr zu stoppen. Furcht kennt er keine: „Nur wenn man nichts zu tun hat, bekommt man Ärger.“ Lars Penning

„Fred“. Frankreich 1996. 88 Min. Regie: Pierre Jolivet. Mit Vincent Lindon, Clotilde Courau u.a.