piwik no script img

■ Mit Wirtschaftstheorien auf du und duKeynes und Klassik

Die Wirtschaftspolitik der Regierung Kohl ist in Schwierigkeiten. Die Steuerreform hakt, die Arbeitslosigkeit steigt auf neue Rekorde. Da kann es nicht verwundern, daß auch die ökonomische Theorie der Neoklassik, die der konservativen Politik zugrunde liegt, zunehmend ins Kreuzfeuer gerät. Die KritikerInnen greifen dabei auf Argumente zurück, die dem Keynesianismus entlehnt sind. Für diese Richtung steht die Position des Berliner Wirtschaftsprofessors Peter Kuhbier (siehe Interview auf dieser Seite).

Der britische Ökonom John Maynard Keynes (1883–1946) entwickelte seine Konzepte in Auseinandersetzung mit der Weltwirtschaftskrise von 1929. Seine Theorie besagt, daß ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage bestehen und trotzdem Unterbeschäftigung herrschen könne. Nicht jede Produktion schaffe sich über die gezahlten Löhne eine entsprechende Konsumnachfrage, so daß die die hergestellten Güter dann auch gekauft werden. Keynes' Schlußfolgerung: Der Staat müsse mitunter die fehlende Nachfrage selbst erzeugen. Dies läßt sich durch die Einkommensumverteilung zugunsten armer Bevölkerungsschichten erreichen, denn diese geben von ihrem Einkommen relativ mehr aus als reiche Leute. Außerdem solle der Staat öffentliche Investitionen tätigen. Fehlt dafür das Geld, ist Schuldenaufnahme zulässig. Die sozialliberale Koalition hatte mit dieser Politik in den 70er Jahren einigen Erfolg, vergaß allerdings, die Schulden in Phasen guter Konjunktur wieder zurückzuzahlen. Kuhbier fordert, von Keynes inspiriert, die Geldmenge zu erhöhen, damit die Leute mehr Güter kaufen können.

Die auf den Theorien des liberalen Philosophen und Nationalökonomen Adam Smith (1723 bis 1790) fußende Lehre der Neoklassik hält demgegenüber staatliche Eingriffe in die Wirtschaft für Teufelszeug. Wenn die Kräfte des Marktes ungehindert walten könnten, werde sich ein gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht mit Vollbeschäftigung einstellen. Die konservativen Regierungen setzen diese Theorie in die Praxis um. Im nebenstehenden Interview verwendet der Kieler Konjunkturforscher Joachim Scheide Argumente, die er dem System der Neoklassik entlehnt.

Die Neoklassiker wollen ein Gleichgewicht auf allen Teilmärkten erreichen. Besteht Arbeitslosigkeit, müssen die Kosten der Arbeit (Löhne) sinken, um die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeit und das Angebot der Beschäftigten in Einklang zu bringen. Sinken die Löhne, stellen die Unternehmen Leute ein. Die höhere Produktion wird durch die wachsende Nachfrage konsumiert. Überschreiten die Löhne ein bestimmtes Niveau, ersetzen die Betriebe ihr Personal durch Maschinen. Hannes Koch

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen