: Sparen bei denen, die nichts haben
Ein der taz zugespieltes Papier enthüllt: Einmalige Leistungen der Sozialämter sollen gekürzt werden. Ziel der Geheimplanung: Die bundesweite Angleichung auf allerniedrigstem Niveau ■ Aus Berlin Leif Allendorf
Berlin (taz) – Die Darstellung des Gesundheitsministeriums, bei der Vergabe einmaliger Leistungen im Sozialhilfebereich werde ausschließlich in der Verwaltung gespart, ist falsch. In einem der taz vorliegenden Papier („Verordnung zur Durchführung des Sozialhilfegesetzes“) wird detailliert aufgelistet, wie mehr als die Hälfte der erwarteten 250 Millionen Mark Einsparungen zu Lasten der Sozialhilfeempfänger gehen soll.
Noch vor einer Woche hatte ein Pressesprecher des Seehofer-Ministeriums versichert, die Sparpläne beschränkten sich lediglich auf eine Effektivierung der Verwaltung; in der Substanz der Leistungen gehe aber nichts verloren. Geplant sei nur eine Angleichung der bundesweit unterschiedlichen Leistungen für Wäschegeld, Kleideraufwendung und Instandsetzung von Wohnung und Hausrat auf den Durchschnitt.
Tatsächlich verheißt der Arbeitsentwurf einen Einspareffekt durch die gesammelte Abwicklung mehrerer Einzelanträge. Doch dieser beträgt nicht 250, sondern 117 Millionen Mark pro Jahr. Die übrigen 133 Millionen werden entgegen allen Beteuerungen denen gestrichen, die am wenigsten haben.
In der „vorläufigen Kostenschätzung“ wird vorgerechnet, daß bei einer Einsparung von fünf Mark für das Flicken von Wäsche und Schuhen die 2,25 Millionen Sozialhilfeempfänger knapp 17 Millionen Mark jährlich dem Staat überlassen. Ebenfalls fünf Mark pro Leistung werden bei der Wäschebeschaffung gestrichen. Einspareffekt: 6,75 Millionen Mark. Bereits durchgesickert war das Vorhaben, das Kleidergeld für Kinder und Erwachsene pro Jahr um 40 Mark zu senken. Was noch nicht bekannt war ist die Summe, die das Ministerium durch diese sogenannte „Angleichung“ spart: 50 Millionen Mark. Kleinere Streichposten sind die Leistungen für Schüler (fünf Millionen Mark), besondere Anlässe wie Hochzeit, Todesfall usw. (drei Millionen Mark), Instandsetzung von Hausrat (20 Millionen Mark) und Wohnung (acht Millionen Mark) sowie die Anschaffung von Gebrauchsgütern (24 Millionen Mark).
Sinn der Sozialhilfe ist, so wird in dem Arbeitspapier erinnert, „daß dem Hilfeempfänger die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht wird und seine Selbsthilfekräfte angeregt und gefördert werden“. Zur Selbsthilfe werden die Sozialhilfeempfänger bei sogenannten „geringen Anschaffungen“ angewiesen sein. Deren Grenze liegt bei fünf Prozent des Regelsatzes von 531 Mark für eine erwachsene Person. Das bedeutet, alle Leistungen und Güter bis zu 27 Mark müssen sowieso selbst bezahlt werden.
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