: Bäääh! Wissenschaftler zeugte Schaf
■ Durch die Übertragung von gentechnischem Material wurde erstmals ein identisches Exemplar eines ausgewachsenen Säugetiers geschaffen. Das Klonen von Menschen rückt nun in den Bereich des „Machbaren“
Dublin (taz) – Science-fiction wird wahr: Wissenschaftlern in Schottland haben erstmals, ein ausgewachsenes Säugetier geklont. Ian Wilmut vom Roslin-Institut bei Edinburgh hat einem Schafeuter eine Zelle entnommen und ihre genetischen Informationen in das Ei eines anderen Schafes verpflanzt. Dieses Ei wurde einem dritten „Leihmutterschaf“ eingepflanzt. Zuvor war aus ihm das eigenen Erbmaterial entfernt worden. Das vaterlose Lamm Dolly, das vor sieben Monaten auf die Welt kam, ist der exakte Doppelgänger des ersten Schafs. Bisher hielten Forscher das Klonen eines erwachsenen Tiers für unmöglich. Morgen wird Dolly der Öffentlichkeit präsentiert.
Das Roslin-Institut, das das Experiment bis jetzt geheimhielt, hat sich schon in der Vergangenheit mit Gentechnik befaßt. Genetisch veränderte Schafe produzieren auf dem Forschungshof menschliche Proteine, die bei der Behandlung von Wundgeschwulsten eingesetzt werden. Vor einem Jahr klonten Wissenschaftler des Instituts erstmals identische Schafe aus Embryozellen. Damals glaubten Gentechniker, daß man die Methode nicht auf erwachsene Säugetiere übertragen könne. Bei der Pflanzenzucht war das Klonen zwar längst gang und gäbe, doch bei Tieren hatte man nur begrenzten Erfolg. In einem Fall war es gelungen, Frösche aus den Zellen von Kaulquappen zu klonen – doch diese starben.
Dr. Ian Wilmut sieht sein Experiment als Durchbruch. „Was sofort ins Auge springt, ist die Möglichkeit, diese und verwandte Techniken für wichtige neue Forschungen in der Biologie einzusetzen und neue Gesundheitsprodukte zu entwickeln“, sagte er. „Wir können genetische Krankheiten untersuchen, für die es bisher keine Heilung gibt, und wir können die Mechanismen verfolgen, die dabei eine Rolle spielen.“ Als nächsten Schritt will man die Zellen, bevor sie ins Ei eingepflanzt werden, zusätzlich im Labor genetisch manipulieren.
Außerdem will Wilmut sein Experiment mit Rindern wiederholen. Neal First, Professor an der Universität Wisconsin, hat sich damit schon seit einiger Zeit beschäftigt. Wenn es gelänge, Milchkühe zu klonen, so glaubt er, dann hätte das größere Folgen für die Industrie als die Erfindung der künstlichen Besamung in den fünfziger Jahren. „Man könnte Tiere kopieren, die sich für Milch, Fleisch oder Wolle besonders gut eignen“, sagte er.
Und was ist mit Menschen? Wilmut sieht keine biologischen Gründe dafür, daß die Sache bei Menschen nicht funktionieren sollte, doch er fügte treuherzig hinzu: „Das wäre unethisch.“ Außerdem, so Wilmut weiter, sei es in Großbritannien illegal. Andere sind sich nicht so sicher, daß Menschen in nicht allzu ferner Zukunft nicht doch geklont werden. „Ich kann mir vorstellen, daß es zumindest heimlich passieren wird“, prophezeite der Jurist Lori Andrews aus Chicago, der sich auf die rechtlichen Folgen der Gentechnik spezialisiert hat. Wenn es einen Markt für den Samen von Nobelpreisträgern gebe, um wieviel größer müsse dann das Interesse an den Zellen eines Genies sein, damit man einen Doppelgänger zur Welt bringen kann? In Bonn wandte sich gestern Forschungsminister Jürgen Rüttgers gegen Versuche mit menschlichem Erbgut. „Jeder Mensch ist eine einmalige Schöpfung, an der nicht herummanipuliert werden darf.“ Eingriffe in die menschliche Keimbahn seien durch das Embryonenschutzgesetz verboten. Ralf Sotscheck
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