: Arme Kinder sollen bleiben dürfen
SPD einigt sich auf ein Stufenmodell zur Visumpflicht für Kinder ■ Von Ulrike Winkelmann
Viele türkische Kinder bringen ihrer Lehrerin oder ihrem Lehrer heute ein Entschuldigungsschreiben mit. Sie werden morgen nicht zur Schule kommen, denn sie wollen mit ihren Eltern und der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) gegen die Kindervisum- und Aufenthaltsgenehmigungspflicht protestieren, die Bundesinnenminister Manfred Kanther im Januar gegen alle unter 16jährigen aus der Türkei, Marokko, Tunesien und Ex-Jugoslawien erlassen hat.
Während die Türkische Gemeinde für die in Hamburg rund 20.000 betroffenen Kinder auf die Straße geht, wird sich die Bürgerschaft um die Kanther-Verordnung streiten. Die Grünen fordern, daß Innensenator Hartmuth Wrocklage sich im Bundesrat schlicht für ein Auslaufen der Verordnung einsetzen möge. Die SPD-Fraktion konnte sich nach heftigen Querelen vorgestern auf einen Antrag einigen.
Was dabei herauskam, beschreibt Uwe Grund, sozialpolitischer Sprecher der SPD, als „Dreistufenmodell“: Für alle Kinder, die hier leben, insbesondere für Kinder, deren Eltern Sozialhilfe beziehen, dürfe kein Nachteil entstehen. Nach dem Willen der Bundesregierung bekämen sie keine Aufenthaltsgenehmigung. Die SPD will nun für die „Familienzusammenführungsfälle eine unbürokratische Lösung“ finden. Die Kanther-Regelung sieht vor, das „Nachholen“ von Kindern stark zu erschweren. Von „allen anderen“, die ohne Eltern in Deutschland einreisen, „ist es vernünftig, ein Visum zu verlangen“, meint Grund.
Um nicht das Gerücht aufkommen zu lassen, er habe sich von der SPD-„Linken“ von seinem Kanther-Schmusekurs abbringen lassen, ließ Innensenator Wrocklage gestern verlauten, sowohl Visum- als auch Aufenthaltsgenehmigungspflicht seien in Ordnung. In Hamburg wolle man jedoch die Einreise „mit dem geringstmöglichen bürokratischen Aufwand“ gestalten und die Aufenthaltsgenehmigung nicht vom sozialen Status abhängig machen.
Hakki Keskin, nicht nur SPD-Fraktionsmitglied, sondern auch Vorsitzender der Türkischen Gemeinde, ist zwar froh, durchgesetzt zu haben, daß der SPD-Antrag keine Visumpflicht mehr für in Deutschland lebende Kinder vorsieht, sondern eine „Bescheinigung der Eltern, daß sie hier rechtmäßig bleiben“. Andererseits ist er „nicht ganz zufrieden“, denn trotz rechtlicher Erleichterungen würden Eltern und Kinder durch die Verordnung immer noch verunsichert und ausgegrenzt.
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