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Ein Mönch als Globetrotter

■ Neu im Kino: „Broken Silence“ von Wolfgang Panzer/ Ein road-movie mit zwei Globetrottern durch das verwegene Asien

Zuerst hört man seine Stimme, in Englisch mit schwerem schwyzerdütschem Akzent, und das ist schon die erste Irritation: muß ein Schweizer in einem Film aus der Schweiz unbedingt in einer Fremdsprache mit Untertiteln reden? Und schon nach den ersten Sätzen stellt sich heraus, daß er eigentlich ein Schweigegelöbnis abgelegt hat – als Kartäusermönch im Kloster. Wie kommt so einer dazu, in einer Kirche in New York eiligst und unbedingt die Beichte ablegen zu wollen und dabei zu erzählen wie ein Buch?

Dies ist eine der originellsten und geschicktesten Film-Expositionen der letzten Jahre. So raffiniert hat schon lange kein Regisseur mehr die Neugierde seiner Zuschauer geweckt. Es geht uns schnell so wie dem Priester, der nun alles ganz genau wissen will. Dabei ist „Broken Silence“ eigentlich nach dem so beliebten Rezept des „Buddy-Movies“ aufgebaut: zwei extrem unterschiedliche Charaktere werden durch äußere Umstände dazu gezwungen, eine schwierige Aufgabe miteinander zu bewältigen und raufen sich dabei möglichst spektakulär zusammen. Der Regisseur Wolfgang Panzer schickt seinen Kartäusermönch in die weite Welt hinaus, um im Auftrag seines Abtes in Indonesien nach einer alten Dame zu suchen, die die Pachtrechte für sein Heimatkloster besitzt und ohne deren Einwilligung es in nächster Zeit aufgelöst werden müßte. Der Kulturschock des kindlich, naiv wirkenden Gottesmannes ist so extrem, daß er im Flugzeug einen schweren Platzangst-Anfall bekommt und bei einer Zwischenlandung in Indien unbedingt das Flugzug verlassen muß. Bei diesem Durcheinander stiehlt ihm eine junge afroamerikanische Globetrotterin seine Brieftasche. Aber als sie ihn dann so verloren im Flughafen stehen sieht, bekommt sie ein schlechtes Gewissen, nimmt ihn unter ihre Fittiche, und so reisen die beiden zusammen weiter mit Taxi, Bus, Bahn und Schiff durch Indien und Indonesien.

Fast der gesamte Film ist „on the road“ in Asien gedreht worden. Die Reise wird uns nicht nur vorgespielt, sondern die Schauspieler haben wirklich in engen Bussen gesessen, haben sich am scharfen indischen Essen den Mund verbrannt und wußten nicht, in welchem Bett sie am nächsten Abend schlafen würden.

Daß alle Reisen im Grunde auch nach innen gehen, ist inzwischen schon fast keine Weisheit mehr, sondern ein abgegriffener Allgemeinplatz. Aber Wolfgang Panzer ist es gelungen, die Einsichten in das Seelenleben des weltfremden Mönches und der weltgewandten jungen Abenteuerin genauso au-thentisch und aufregend auf die Leinwand zu bringen wie die javanesischen Vulkanlandschaften und indischen Flußfahrten. Der Mönch lebt in ständigem Zweifel an sich selbst und seinen Glauben. Die schwarze Amerikanerin sucht den Sinn ihres Lebens. Ein Leben, von dem sie weiß, daß es wegen einer Erbkrankheit schon sehr bald enden wird.

Martin Huber und Ameenah Kaplan spielen die beiden mit einer bewegenden Direktheit, und Panzer umschifft souverän alle Untiefen der Klischees und Rührseligkeiten. So ist sein Film auch eine philosophische Meditation über Glaube, Liebe und Hoffnung. Deshalb gelingt ihm am Schluß eine Sterbeszene – so hell, dezent und human wie Jeanne Moreaus Tod in „Jules und Jim“.

Wilfried Hippen

Cinema: ab Donnerstag, täglich um 19 Uhr

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