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Zermatschte Kirschküchlein

■ Madagascar Skin: ein schwuler Beziehungsfilm zwischen Trash, Persiflage und Liebesschnulze

Harry haßt Leute, die sich amüsieren können. Er lebt in einer Strandhütte, verbarrikadiert zwischen Bergen von alten Schuhen und glitschigen Algenhaufen, und die aalglatten Typen in den Szene-Discos würde er am liebsten mit einem Bulldozer plattwalzen. Harry (John Hannah) ist allein. Das riesige feuerrote Muttermal in seinem Gesicht läßt ihn glauben, daß er für immer allein bleiben wird. Doch eines Morgens geht er am Strand spazieren und hebt einen umgekippten Eimer hoch. Darunter ragt ein blutiger, stummer Kopf aus dem Sand. Flint (Bernhard Hill), der Ärger mit Geschäftspartnern hatte, ist in der Nacht hier verbuddelt worden. Er ist noch nicht ganz tot, aber die Flut naht – zum Glück ist die Schaufel griffbereit.

Ausgegraben sieht Flint viel besser aus: am ganzen Körper tätowiert und muskulös. Einer, der hart arbeiten muß. Die beiden suchen sich ein kleines Häuschen, und es dauert nicht lange, bis Harry vor Liebessehnsucht nach dem gutgebauten Gerüstbauer nicht mehr einschlafen kann. Doch Flint ziert sich. Angeblich steht er gar nicht auf Männer. Lieber bringt er seinen Freund zum Lachen, und wenn er dazu lebende Spinnen und tote Mäuse verspeisen muß.

Das Muttermal stört ihn nicht. Er stößt sich höchstens an Harrys Schwuchtel-Attitüde und daran, daß der Faulpelz sich weigert, einer ordentlichen Arbeit nachzugehen. Eine Männerfreundschaft mit klar verteilten Rollen scheint sich zu entwickeln – hier der tüchtige, schöne Hetero, da das häßliche, schüchterne und weltfremde Homo-Entlein. Dann kommt aber heraus, daß Flint Harry ein paar Lügen über seine Einstellung zu Sex und Berufsleben aufgetischt hat...

Der britische Film Madagaskar Skin, den das 3001 als Hamburger Erstaufführung präsentiert, ist irgendwo zwischen Trash und Liebesschnulze angesiedelt. Es wird mit Ekel gespielt, leinwandfüllende Bilder von zermatschten Kirschküchlein und Dildos zwischen Algenschleim werden genüßlich ausgewalzt. Andererseits wird in fragmentarischen Dialogen und vielen langen, statischen Einstellungen die subtile Story der beiden Outsider erzählt; Szenen, die wohl wirken sollen, als hätte sie Regisseur Chris Newby bei Peter Greenaway abfotografiert. Doch der Streifen verzichtet fast gänzlich auf musikalische Untermalung.

Leider bleibt die Persiflage – falls es eine sein sollte – eine halbe Sache. Und auch für frisch verliebte Pärchen ist Madagaskar Skin sicherlich nicht der richtige Film, dazu ist er zu unappetitlich. Trash-Fans mag er einen zu hohen moralischen Anspruch und einen Tick zu viel pathetisches Symbol-Gehabe enthalten. Aber vielleicht findet der Film gerade durch seine Ungebundenheit ein Publikum.

Barbora Paluskova

3001

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