: Klimakonferenz: Wieder nichts als heiße Luft?
■ Der Klimagipfel im Dezember in Kyoto könnte bereits diese Woche in Bonn scheitern. Dort ringen Diplomaten aus aller Welt um ein Kompromißpapier
Im Dezember werden sich Staatschefs aus aller Welt auf dem Klimagipfel im japanischen Kyoto in den Fernsehscheinwerfern sonnen, doch was sie dort medienwirksam beschließen können, entscheidet sich bereits in der kommenden Woche – in Bonn. Dort tagt ab Montag die „Ad-hoc-Gruppe Berliner Mandat“ (AGBM), eine UN- Arbeitsgruppe, die ein Kompromißpapier mit verbindlichen Grenzen für den Ausstoß von Treibhausgasen für Kyoto ausarbeiten soll. Was die Fachleute und Diplomaten aus 164 Ländern nicht bis Freitag aushandeln, kann in Japan nicht beschlossen werden – das Papier muß den Staatschefs ein halbes Jahr im voraus vorliegen. Hoher Druck lastet auf der AGBM, ist es doch schon ihr sechster Versuch seit 1995.
Auch die EU nimmt den Termin ernst, auf Drängen der ratsvorsitzenden Niederländer treffen sich die EU-Umweltminister informell bereits einen Tag vor ihrem offiziellen Termin am Montag, um sich endlich auf gemeinsame Klimaziele zu einigen. Erstmals liegen konkrete Zahlen vor, danach soll die EU bis 2005 ein Zehntel weniger Treibhausgase in die Luft pusten: einige Länder mehr, wie Deutschland (30 Prozent) und Österreich (25), andere weniger, wie Spanien (15) und Griechenland (5). Doch Frankreich torpediert die Pläne, es möchte Pro- Kopf-Grenzwerte einführen, in einer Höhe, bei denen es kaum etwas tun müßte – seine Pro-Kopf-Emission liegt wegen des vielen Atomstroms relativ niedrig.
Auch weltweit überwiegt eine Haltung zur Klimapolitik, die sich am jeweiligen Staatsinteresse orientiert: Die Erdölländer spielen auf Zeit, weil sie ihren Export nicht gefährden wollen, Australien und die USA, weil sie Kohle exportieren und rund doppelt soviel Treibhausgase, gemessen an der Wirtschaftsleistung, in die Luft blasen wie die EU. Entsprechend wollen Australien und die USA die Frist für konkrete Ziele lieber um zehn Jahre verschieben.
Deutschland vertritt zwar verbal ihr markiges Ziel, den Kohlendioxidausstoß bis 2005 um ein Viertel zu senken, mußte sich aber von den Wirtschaftsinstituten RWI und ifo vorrechnen lassen, daß sie mit ihrer momentanen Politik nur 17 Prozent schaffen würde. Zwar schneidet Deutschland im internationalen Vergleich der bisherigen Klimapolitik der Industrienationen gut ab: Nach den Zahlen, die der WWF gestern in Bonn vorstellte, liegt Deutschland hinter Dänemark, Österreich, den Niederlanden und der Schweiz an Platz fünf. Doch das verdankt es im wesentlichen dem Zusammenbruch der Industrie in Ostdeutschland. In den Altbundesländern nahm der Kohlendioxidausstoß seit dem Stichjahr 1990 sogar um 2 Prozent zu. Viele konkrete klimaschützende Beschlüsse der EU, wie die Stromspardirektive oder eine moderate Energiesteuer scheiterten aber am Veto der Bundesregierung.
Nach Ansicht der UN-Klimaforscher wird der heutige Trend der Treibhausemission bis 2100 den Globus um bis zu 3,5 Grad erwärmen, der Meeresspiegel bis zu einem Meter steigen. Welch Wunder, daß die Schrittmacher in Bonn die Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS) sind, sie verlangen eine doppelt so hohe Kohlendioxid-Verringerung wie die EU. Sie werden sich kaum durchsetzen.
Der Forderung der AOSIS- Staaten haben sich auch die sieben großen europäischen Umweltverbände angeschlossen, die gemeinsam in Bonn Lobby machen – darunter Greenpeace, der WWF und das Climate Network Europe. Ihnen geht es aber auch um das Kleingedruckte: Sie verlangen Minderungsziele für jedes einzelne Treibhausgas, also neben Kohlendioxid auch für Methan, chlorierte Kohlenwasserstoffe und Stickoxide. Eine pauschaler Wert für alle Treibhausgase sei nicht kontrollierbar, fürchten die Umweltschützer. Manchem Land aber käme das sicher sehr entgegen. Matthias Urbach
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