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„Nachhilfeunterricht“für die CDU

■ Streit um die Wehrmachtsausstellung jetzt auch in Oldenburg / Termin geplatzt, CDU will erst nach Bremen fahren und gucken

Die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1945" zieht durch die Republik und sorgt für Streit – jetzt auch in Oldenburg. Die Ratsfraktion der Oldenburger Linken Liste (OLLi)/PDS hat jetzt im Kulturausschuß den Antrag gestellt, die Ausstellung „zum frühstmöglichen Zeitpunkt" in die Huntestadt zu holen. "Reizvoll", findet Antragsteller Reinhold Khinrich, „wenn gerade jetzt die Diskussion auch in Oldenburg stattfinde." Doch auf einen solchen "Schnellschuß" mag sich die Ratsmehrheit aus SPD und Grünen nicht einlassen. Ihr Terminvorschlag: Der 1. September 1999, 60. Jahrestag des Kriegsbeginns. "Populistische Schnellschüsse tun der Ausstellung nicht gut", begründete Bürgermeister Alfred Nehring (SPD) die Ablehnung seiner Fraktion. Kulturdezernent Ekkehard Seeber wies auf die Anforderungen des Hamburger Instituts für Sozialforschung hin: "Ein qualifiziertes Rahmenprogramm gehört zum Konzept der AusstellerInnen. Innerhalb weniger Monate läßt sich so etwas nicht verwirklichen." Enttäuscht zog Khinrich seinen telefonisch eingeholten Terminvorschlag zurück. Die Ausstellungkoordinatorin Petra Bopp vom Hamburger Institut für Sozialforschung hatte ihm bereits einen freien Termin ab 8. Juli 1997 signalisiert, falls die Ausstellung tatsächlich kurzfristig in Koblenz abgesagt werde. Die VertreterInnen der CDU im Kulturausschuß hatten jedoch ganz andere Sorgen. Ratsherr Oliver Dierks (CDU) möchte genau wissen, was dort ausgestellt wird. Einwände von Seiten der SPD und Grünen, „die Diskussion über die Ausstellung liefe bereits viele Monate in allen Medien" wollte die CDU nicht gelten lassen. SPD-Bürgermeister Alfred Nehring hatte für diese "Verzögerungshaltung der CDU" jedoch nur wenig Verständnis: „Wir müssen doch nach 50 Jahren endlich in der Lage sein, den Realitäten ins Auge zu schauen. Was sollen wir nur unserer Jugend sagen, wenn die noch immer den Eindruck haben muß, darüber dürfen wir nicht sprechen." Ein Vorwurf, dem Oliver Dierks mit scharfer Stimme entgegnete: "Einen Nachhilfe-Unterricht für die Bewältigung deutscher Geschichte hat die CDU nicht nicht nötig!" Offensichtlich sah Kulturdezernent Eckehard Seeber dies etwas anders und schlug dem Ausschuß eine von der Stadt bezahlte kleine „Bildungsf ahrt" nach Bremen vor, wo die Ausstellung ab 28. Mai in der unteren Rathaushalle zu besichtigen sein wird. „Einverstanden" erklärten sich alle Ausschußmitglieder und vertagten ihre endgültige Entscheidung auf Bitte der CDU. Allerdings werden die rot-grünen Ratsmitglieder eine Option für den Termin ab 1. September 1999 bereits beim Hamburger Insitut für Sozialforschung anmelden. Schließlich sei der Termin - 60 Jahre nach Kriegsbeginn - bestens dafür geeignet, sich mit den Verbrechen der deutschen Wehrmacht kritisch auseinanderzusetzen. An der Einschätzung, daß „Oldenburg als alte Garnisionsstadt die Ausstellung bitter nötig hat", besteht jedenfalls für die grüne Ratsfrau Jutta Alisch nach dieser ersten Diskussion kein Zweifel mehr. MG/JB

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