: Graue Geschäfte um das grüne Gold
■ Botanischer Garten verkauft Pflanzenmaterial aus fremden Ländern an Privatfirma. Verstoß gegen UNO-Konvention
Der Botanische Garten betreibt einen Handel mit exotischen Pflanzen, der in einer Grauzone der „UNO-Biodiversitätskonvention“ stattfindet. In einem Vertrag hat sich der Garten 1995 verpflichtet, Pflanzenmaterial an die Biotechnologiefirma „AnalytiCon“ zu übergeben. Damit verstößt der Botanische Garten gegen den Geist der UNO-Konvention, die die Rechte an einheimischen Pflanzen und möglicherweise daraus resultierenden Patenten und Wirkstoffen den Herkunftsländern zuordnet.
Der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Hartwig Berger, fordert wegen dieser „schwerwiegenden und weitreichenden Verletzung der Biodiversitätskonvention“ von der Wissenschaftsverwaltung, den am 31. März dieses Jahres auslaufenden Vertrag zwischen dem Botanischen Garten und „AnalytiCon“ nicht zu verlängern.
Die Firma sucht in den Pflanzen nach Wirkstoffen für zukünftige Medikamente. Inzwischen basieren rund 30 Prozent aller Medikamente in den Industrieländern auf pflanzlichen Wirkstoffen – ein Multi-Milliarden-Dollar-Markt. Seit dem Abschluß der Konvention über die biologische Vielfalt auf dem Umweltgipfel in Rio 1992 ist für die Pharmafirmen der Zugriff auf die Pflanzenvielfalt der Entwicklungsländer zunehmend schwieriger geworden. Um so interessanter sind da die botanischen Gärten in Europa.
International ist umstritten, wer Eigentümer der Pflanzen in den Gärten ist. Während der Kolonialzeit befand sich am Berliner Garten die „Botanische Centralstelle für die Deutschen Kolonien“ für die Versorgung der Kolonien mit Nutzpflanzen. Deutsche Kolonialbeamte und Forscher sammelten damals Tausende dieser exotischen Gewächse. Heute pflegt man in Dahlem weit über 20.000 Pflanzenarten und ist damit die größte Einrichtung dieser Art in Mitteleuropa.
Laut der von der Bundesregierung ratifizierten Biodiversitätskonvention müssen wirtschaftliche Vorteile, die aus der kommerziellen Nutzung von Pflanzen gezogen werden, mit den Herkunftsländern der Pflanzen „ausgewogen und gerecht“ geteilt werden. Allerdings gilt dies nur für solche Pflanzen, die nach dem Inkrafttreten der Konvention 1994 in den Besitz der botanischen Gärten und Züchter gelangt sind.
Über den Status der weit größeren Zahl der davor gesammelten Pflanzen konnte in Rio keine Einigung erzielt werden. Viele Entwicklungsländer verlangen auch hier eine entsprechende Aufteilung der Gewinne. Dies wird von den Industrieländern zurückgewiesen. Das Bundesumweltministerium unterstützt die Position des Verbandes der deutschen botanischen Gärten, wonach vor 1994 gesammelte Pflanzen ohne Einschränkungen Eigentum der Gärten seien. Thomas Fritz von der Berliner Umweltorganisation BioWatch meint, da die Eigentumsfrage derzeit international verhandelt werde, sollten öffentlich finanzierte Institutionen wie der Berliner Botanische Garten keine Lieferverträge abschließen, die dem Ergebnis solcher Verhandlungen vorgreifen.
Der Vertrag zwischen dem Berliner Garten und „AnalytiCon“, der der taz vorliegt, erwähnt mit keinem Wort eine Beteiligung der Herkunftsländer der Pflanzen an zukünftigen Patenten und Gewinnen. Werner Greuter, Direktor des Botanischen Gartens, räumt ein, daß bei einer Vertragsverlängerung „die Rechte der Herkunftsländer gesichert werden müssen“. Die Wissenschaftsverwaltung wollte zu dem Vorgang keine Stellung nehmen. Der Vorgang „werde geprüft“, hieß es. Christoph Cordes
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