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Geheimniskrämerei im Klonlabor

US-Forscher gibt bekannt, daß in seinem Genlabor schon vor Monaten zwei geklonte Affen auf die Welt gekommen sind. Ruf nach weltweitem Klonverbot für Menschen wird immer lauter  ■ Von Wolfgang Löhr

Zuerst war es das geklonte Schaf Dolly, das Politiker, Wissenschaftler und zahlreiche besorgte Menschen aufschreckte und weltweit Rufe nach einem Klonverbot für Menschen laut werden ließ. Jetzt sind am Wochenende noch zwei geklonte Affen hinzugekommen. Don Wolf, Wissenschaftler am Oregon Regional Primate Center in Beaverton im US-Bundesstaat Oregon, gab am Samstag bekannt, daß in seinem Labor im August vergangenen Jahres schon zwei geklonte Affen zu Welt gekommen sind.

Wolf, der gleichzeitig auch noch Leiter des Laboratoriums für künstliche Befruchtung der Portland-Universität ist, wollte ausprobieren, ob es möglich sei, genetisch identische Affen herzustellen, für Forschungszwecke, wie er betonte. Im Gegensatz zu dem Forscherteam am schottischen Roslin-Institut hatte der US-Wissenschaftler jedoch keine Körperzellen von einem erwachsenen Tier genommen. Er benutzte Embryonalzellen, denen er die Zellkerne mit dem Erbmaterial entnahm; diese übertrug er auf eine zuvor von den Chromosomen befreite Eizelle. Von den neun Affenembryonen, die er in Muttertiere einpflanzte, überlebten zwei bis zur Geburt. Die Versuche hätten gezeigt, so Wolf, daß die Methode auch beim Menschen funktionieren müsse, denn schließlich seien die Affen die engsten Verwandten des Menschen. Wolf meinte zudem, daß es bei Affen auch funktionieren könne, von einem erwachsenen Tier eine Kopie herzustellen, so wie es die schottischen Forscher mit dem Schaf Dolly vorgeführt haben.

Währendessen wird die Forderung nach einem internationalen Verbot für das Klonen von Menschen immer stärker. „Den geklonten Menschen darf und wird es nicht geben“, sagte Forschungsminister Jürgen Rüttgers. Die Bundesregierung werde sich dafür einsetzen, daß eine entsprechende Vereinbarung zustande komme.

Parallelen zu der Diskussion um die Keimbahneingriffe werden immer deutlicher. Obwohl wiederholt betont wurde, es bestehe ein weltweiter Konsens darüber, daß die Manipulation menschlicher Fortpflanzungszellen tabu bleiben solle, weigern sich die Politiker, ein Verbot der Keimbahnmanipulation unmißverständlich festzuschreiben. Erst nach heftigen Protesten wurde in die jetzt zur Ratifizierung anstehende Bioethikkonvention des Europarates ein halbherziges Verbot aufgenommen – wenn die technischen Möglichkeiten weiterentwickelt und die Methoden nicht mehr so unsicher sind, soll es überprüft werden.

Auch in der Unesco-Erklärung „Menschliches Genom und Menschenrechte“, die seit über drei Jahren von einem Internationalen Bioethikkomitee vorbereitet wird und im Herbst dieses Jahres von den Mitgliedsstaaten verabschiedet werden soll, ist keine Grenze für die Keimbahnmanipulation vorgesehen. In all diesen internationalen Vereinbarungen wird die Klonierung von Menschen noch nicht einmal mit einem Wort erwähnt.

Auch wenn es selbst viele Wissenschaftler nicht für möglich gehalten haben, daß die Horrorvision aus der Welt der Science-fiction überhaupt mal möglich werden wird, ganz so überraschend kam das Schaf Dolly in dem Edinburgher Forschungsinstitut nicht zur Welt. Die Arbeitsgruppe am Roslin-Institut sorgte schon vor einem Jahr für Schlagzeilen in der Weltpresse, als sie im März zwei geklonte Schafe vorstellte, die mit dem Verfahren hergestellt wurden, das dann später der US-Forscher Wolf an seinen Affen ausprobierte.

Schon damals sprachen die Forscher am Roslin-Institut ganz offen von ihrem nächsten Ziel: eine Methode zu finden, mit der man Körperzellen von einem ausgewachsenen Tier wieder in den Urzustand zurückversetzen kann, so daß sich aus diesem Embryonalzustand wieder alle möglichen Zelltypen oder auch ganze Tiere entwickeln können. Darüber, daß diese Technik – zumindest theoretisch – auch beim Menschen anwendbar sei, wurde schon seinerzeit spekuliert. Konsequenzen daraus wurden nicht gezogen.

Wie so oft hinkt die Politik der Entwicklung in Forschung und Wissenschaft hinterher. Das Schaf Dolly kann nicht wieder in die Flasche der Erkenntnisse eingesperrt werden. Noch kurz vor dem Andrucken des neuen Heftes, so berichtet das Magazin Nature, habe die Redaktion eine E-Mail eines „Harvard-Akademikers“ erreicht, mit der Aufforderung, den Bericht über das Roslin- Experiment nicht abzudrucken: Wenn das Verfahren und die Methode allgemein bekannt würden, wäre das wie eine „Einladung zum Mißbrauch“, begründete er seine Bitte. Doch spätestens seit Dolly im Bauch des Muttertieres heranwuchs, war es eigentlich schon zu spät, die Entwicklung zu stoppen.

Das Fatale sei, meint die gesundheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Monika Knoche, daß „die Forschung bestimmt, wie die Gesetze aussehen sollen“. Erst werden Fakten geschaffen, und dann werde die „Politik aufgefordert, Verbote aufzustellen“. Nicht in den Laboren, sondern in einer öffentlichen Diskussion und vor allem vorher schon müsse entschieden werden, „ob alles, was technisch machbar ist, auch gemacht werden darf“, fordert Sabine Riewenherm vom Gen-ethischen Netzwerk (GeN) in Berlin.

Selbst die Europäische Kommission, die sonst jede Bresche frei schlägt, die der Entwicklung der Bio- und Gentechnologie im Wege sein könnte, sah sich durch die öffentliche Diskussion genötigt, Stellung zu nehmen. Der Präsident der Kommission, Jacques Santer, will untersuchen lassen, ob die Klonexperimente in die Zuständigkeit der Europäischen Union (EU) fallen. Das bioethische Beratergremium der Kommission hat den Auftrag bekommen, eine Stellungnahme zu erarbeiten und mögliche Konsequenzen aufzuzeigen. Geklärt werden soll auch, ob und inwieweit die EU Forschungsprojekte in dem Bereich finanziell unterstützt. Bekannt geworden ist inzwischen, daß das Roslin-Institut auch Geld aus EU-Töpfen erhält.

„Bei allem Verständnis für den technischen Fortschritt und die biotechnischen Meisterstücke der Wissenschaft ist hier eine ethische Grenze erreicht“, meint auch Bauernpräsident Constantin Freiherr von Heereman. Mit dem neuen Verfahren sei die Forschung in eine neue Dimension vorgestoßen, erklärte er in Bonn. Während Heereman die Politik und Wissenschaft aufforderte, auch ethische Grenzen für die Anwendung des Klonens in der Tierzucht zu formulieren, warnen Wissenschaftler und Industrievertreter vor einer zu restriktiven Gesetzgebung.

Aus ethischer Sicht beständen keine Bedenken, wenn Zellen geklonter Tiere für Medikamente zur Behandlung von Menschen verwendet würden, sagte Professor Peter Stadler, Leiter des Geschäftsbereichs Biotechnik bei der Bayer AG in Leverkusen. Stadler, der betonte, daß er „jegliche Anwendung am Menschen – auch zur künstlichen Befruchtung“ ablehne, bezog sich ausdrücklich auf die Experimente mit den Schafen in Edinburgh. Sie würden zur Entwicklung von Arzneimitteln betrieben. In der Arzneimittelproduktion durch Tiere kann das Klonen nach Ansicht Stadlers von großem Nutzen sein.

Die Bayer AG hofft, demnächst selbst in das „Gene Pharming“, wie die Herstellung von Arzneimitteln mit Hilfe von transgenen Tieren auch genannt wird, einsteigen zu können. Zwischen dem Leverkusener Chemiekonzern und dem Gentech-Unternehmen PPL bestanden geschäftliche Verbindungen. Schon 1992 kaufte der Chemiekonzern Bayer das manipulierte Schaf Tracy von dem schottischen Unternehmen PPL, das eng mit dem Roslin-Institut zusammenarbeitet. Tracy gehört zu einer Herde von Tieren, die mit ihrer Milch ein menschliches Protein, Alpha-1-Antitrypsin, aussondern, das zur Behandlung der Lungenkrankheit zystische Fibrose genutzt wird. Auf die Anfrage, ob weiterhin eine Kooperation mit der PPL bestehe, gab die Pressestelle von Bayer bekannt: „Wir haben die Zusammenarbeit mit der Firma inzwischen eingestellt.“ Jetzt setzt der Chemiekonzern auf die Herstellung des menschlichen Blutgerinnungsfaktors VIII, die mit Hilfe transgener Tiere kostengünstiger werden soll. Der Konzern ist von daher schon an der Entwicklung einer effektiveren Methode zur Genmanipulation von Tieren interessiert, die dann als „Bioreaktor“ nutzbar sind.

Stadler gibt sich zuversichtlich. Er glaubt nicht, daß dann jemand aus krankhafter wissenschaftlicher Neugier derartige Methoden am Menschen ausprobiert. „Die biomedizinische Szene in Deutschland ist sehr kompakt und transparent“, meint Stadler. Die Gefahr, daß entsprechende Klonierungsversuche mit menschlichen Zellen gemacht werden, drohe in anderen Ländern. Er übersieht nur, daß auch von den Klonexperimenten am Roslin-Institut lange Zeit nichts nach außen gedrungen ist. Sieben Monate ist das Schaf Dolly jetzt alt, rund fünf Monate wurde es in dem Muttertier ausgetragen – ein ganzes Jahr wahrten also die Forscher am Roslin-Institut strengste Geheimhaltung, um die Welt mit dem vollendeten Experiment zu überraschen. Und auch die Klonexperimente am Primatenzentrum in Oregon sind jetzt eher zufällig bekanntgeworden. Wer weiß, was in den zahlreichen Forschungslaboren nicht noch alles geschieht, ohne daß es die Öffentlichkeit erfährt.

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