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Eins, zwei, drei ... Möp.

■ Wer eigentlich geht zum Casting für eine urdarwinistische Sat.1-Quizshow?

„Bitte kleiden Sie sich so, wie Sie sich auch in der Sendung vorstellen würden“, stand im Brief der Agentur. Für die meisten hieß das: Komm wie Peek & Cloppenburg. Knapp 70 Berliner und Berlinerinnen sind an diesem Tag zum Casting ins Novotel am Siemensdamm gekommen, weil sie in Hans-Hermann Gockels urdarwinistischem Sat.1-Quiz beweisen wollen, daß Bildung in Deutschland noch immer weitverbreitet ist. Auch wenn sich deren Niveau nur darin zeigt, im Abendprogramm den Brockhaus von sich zu geben.

Kein Pardon, fast wie beim Staatsexamen

Doch Gockels Kandidaten bilden nur die Spitze einer Phalanx der bundesdeutschen Superhirne – schließlich ist in einer sogenannten Ellenbogengesellschaft „Jeder“ reif für „Jeden“ und „gegen“: der eloquente Maurermeister mit Frau beispielsweise – beide Mitte sechzig und kein bißchen aufgeregt – gegen den schüchtern-akkuraten Auszubildenden, der Mann in der Weste mit aufgesticktem Auerhahnmotiv gegen den Übersetzer in Kreuzberger Survivalmontur.

„Einen wunderschönen guten Tag!“ Nach dem Fotoappell zur Einstimmung erläutert Klaus Zureck von der Mediabolo TV Casting GmbH, ein junger Mann in Karohose, knapp wie und warum und was und wo. Gestern war er noch in Leipzig, heute drückt er hier aufs Knöpfchen: 60 Fragen vom Band, vier Sekunden Zeit pro Antwort. „Rechtschreibung ist egal. Los geht's.“ Der Einzelhandelskaufmann links macht erst nach „Walhalla“ schlapp, die Hausfrau aus dem Prenzlberg schreibt brav die Fragen mit. Schluß! Die Bögen werden eingesammelt. Kein Pardon. Wie beim Staatsexamen. Anschließend dürfen jeweils elf Probanden einen Schritt vortreten. Behelfsquizmaster Zureck wartet schon mit einem Stapel Fragekarten in der Hand. Kurzes Vorstellen erbeten; Name, Bezirk, Beruf und Hobbies wären schön: „Bin aus Berlin, Kaufmann, fahre Go-Cart“ wird da zur Quintessenz aus Heinz D.s* Leben. Christel G. wohnt in Tiergarten, liebt Gartenarbeit und das Hausfrauendasein. Gudrun S. spielt sonntags mit der Eisenbahn. Der baumstarke Justizvollzugsbeamte Jochen H. liebt Katzen über alles, sein Kollege Friedhelm S. züchtet Piranhas. Nicole hat 300 Streichholzschachteln. Der Jongleur spielt Schach. Der Student sammelt Comics. Der U-Bahn- Fahrer hortet „von Country bis Disco“ alles. Familienvater Frank ist stolz auf sein Hobby im Doppelpack: „Frau und Kind“. Fernfahrer Gerhard sammelt Überraschungseier und steht rechts von Frank.

Gerhard ist der letzte in der Reihe und muß anfangen. Das Fragenstakkato hämmert bis zu Heinz, dann stottert es zurück. Macht zwei Fragen pro Person. Wer zögert, hört ein „Möp“. Das kommt vom Klaus Zureck nach vier Sekunden, live und täuschend echt. Applaus und der Nächste bitte.

„Danke – Sie hören dann von uns“

„Tragödie und Komödie in einem Stück, das ist ...?“ – „Die Liturgie.“ – „...Mööp. Goldhagen.“ – „Was? Noch nie gehört.“ – Der Sachbearbeiter trifft mit „Soloist“ daneben, die Kassiererin mit der „Harpune“ für Poseidon ebenso.

Aufgezeichnet wird „Jeder gegen Jeden“ für Sat.1 weit draußen vor den Toren Berlins in den Grundy-TV-Studios auf der Havel-Insel Eiswerder. Den Ernstfall dort schildert der nette Herr zum Schluß. Die Hausfrau aus Prenzlauer Berg schreibt wieder mit: „Sie hören dann von uns.“ Wie viele? Eins, zwei, drei, Möp. Stephan Schurr

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