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Im Auge des Ohrs

■ Die Welt ist ein Geräusch: „Schall und Rauch“, eine sinnlich-didaktische Ausstellung für kleine und für große Kinder zum Hören im Haus der Kulturen der Welt

Es zischt und pfeift, gongt und brummt, flötet und zirpt. Kinder lachen und brüllen, irgendwo heult jemand und sucht nach seinen Eltern. Über mehr als tausend Quadratmetern Ausstellungsfläche im Haus der Kulturen der Welt liegt ein Teppich aus bekannten und nie gehörten Geräuschen, eine einzige große Kakophonie, aus der sich nur langsam einzelne Töne heraushören lassen.

„Schall und Rauch“ ist eine „Mitmachausstellung für Kinder“, die zeigen will, „wie wir hören, was wir hören und warum wir hören“. Das erste Ausstellungsstück ist zugleich auch das stillste. Geht man die Treppen hinter dem Eingang hinunter, führt der erste Weg zu einer roten Kiste, die einen nach Schwefel riechenden Dampf produziert, der sich mit Hilfe des Lochs in der beweglichen Plexiglasabdeckung zu Rauchzeichen formen läßt.

Ansonsten gibt es eine Röhre, fast zwei Meter im Durchmesser, die als begehbares Ohr fungiert. Es gibt Aquarien mit Kopfhörern, in denen das Knurren der Fische zu hören ist. In einer Ecke des großen Raums dröhnt ein chinesischer Gong vor sich hin, der immer lauter anschwillt, bevor er versenkt wird und sich die Schallwellen für uns nicht mehr hör-, aber dafür sichtbar im Wasser ausbreiten. In der entgegengesetzten Ecke bearbeiten kleine Jungmänner begeistert eine große Orchestertrommel, während direkt daneben in zwei Vitrinen verschiedene historische Rhythmusinstrumente stehen, für die sich niemand interessiert. Draußen im Garten warten als Leihgaben des Museums für Verkehr und Technik Richtmikrophone und andere Spielereien der Industriegesellschaft, drinnen stehen Regenmacher aus Mali, lange Holzröhren, die beim Drehen Regengeräusche produzieren.

„Bist du taub?“ Wer jemals einen Nachmittag auf einem Spielplatz verbracht hat, kann leicht den Eindruck gewinnen, daß die kindlichen Hörorgane chronisch unterentwickelt sind. Oder an den falschen Stellen angebracht: „Sitzt du auf deinen Ohren?“ Auch während der Ausstellungseröffnung hatten die Installationen den meisten Zulauf, in denen die Kinder aktiv sein und viel Lärm verursachen konnten.

Der weiße Raum dagegen, in dem sich je nach Standpunkt des Besuchers drei Schallquellen überlagern, verstärken oder neutralisieren, wird nur kurz beschnuppert und als zu ereignislos zu den Akten gelegt. Für die Erwachsenen, die nicht hektisch hinter ihren Sprößlingen hinterherjagen müssen, geht es hier noch am ehesten gemütlich- kontemplativ zu.

Die Eltern drängeln sich vor

An anderen Installationen allerdings drängeln sich die Eltern vor und reißen den eigenen Kindern die Kopfhörer aus der Hand. „Ich will auch mal.“ Die Urerfahrung weckt dann wohl auch ganz andere Instinkte. Immerhin: „Im Innern des Körpers“, ein kleines Labyrinth aus ineinander verschachtelten Gängen, ist wohl eigentlich den Kindern vorbehalten. Jedenfalls ist der Eingang bestenfalls einen Meter hoch, aber trotzdem zwängen sich noch einige ausgewachsene Erziehungsberechtigte in das Kabinett hinein.

Die kleinen Menschen fühlen sich zu Hause in der vom Museumspädagogischen Dienst in Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendmuseum Berlin gestalteten Ausstellung. Die Installationen sind größtenteils für Kinderhände und Kindergröße ausgelegt. Funktioniert etwas nicht gleich, geht's halt schnell weiter zum nächsten bunten Gerät. Und auch die erklärenden Tafeln, die die Kinder sowieso nicht lesen, bleiben meist eher kryptisch und enden oft mit einem für Erwachsene fatalistischen „Hörst du das Echo?“ oder gleich „Höre einfach zu!“

Den Kindern ist es egal. Weil um sie herum alles Ton ist, müssen sie selbst viel weniger Laute produzieren. „Ich geh' mal zu den Muscheln“, sagt die 8jährige Hanna. „Was für Muscheln?“. „Da kann man was hören.“ Und weg ist sie.

Wer dann doch mehr erfahren will, der kann fragen. Oder bei einem der Workshops mitmachen. Oder im – ebenfalls für Kinder konzipierten – Katalog nachlesen, wie das denn nun funktioniert mit dem Ohr und den Schallwellen. Dem Katalog liegen übrigens Bastelbögen und Anleitungen bei, anhand deren man einfache Instrumente selber bauen kann. Thomas Winkler

„Schall und Rauch“, bis zum 27. April im Haus der Kulturen der Welt, Tiergarten, Di.–Fr. 9–17 Uhr, Sa./So. 11–18 Uhr, im April auch Mo. 9–15 Uhr. Schulklassen, Hort- oder Kindergartengruppen sollten sich beim Museumspädagogischen Dienst unter 283974-86 oder 283974-72 anmelden.

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