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Nur mit Bastrock

■ Auf den Spuren Robert Flahertys (Sa., 20.45 Uhr, arte)

Als Pionier des Dokumentarfilms wird er von den einen bezeichnet, als Verräter an den Prinzipien des Genres von den anderen: der amerikanische Ethnologe Robert Flaherty (1884–1951), der sich mit nur einer Handvoll Filmen ein Denkmal gesetzt hat. Vor allem mit „Nanuk, der Eskimo“ von 1922 und „Moana“ von 1925, welche der westlichen Welt seinerzeit erstmals so exotische Lebensräume wie die Arktis und die Südsee nahebrachten, mit echten Eingeborenen vor natürlichen Kulissen. Nun müssen sich die Filme erneut eine kritische Betrachtung gefallen lassen.

Wie jeder Filmstudent, so wurde auch der Kölner Dokumentarist Axel Engstfeld eines Tages mit Flahertys Werk konfrontiert. Auf die Idee, rund 70 Jahre danach dessen Drehorte zu besuchen, kam er aber erst, als er per Zufall in der kanadischen Hudson Bay auf ein „Flaherty Island“ stieß, das seit „Nanuk“ seinen Namen trägt. Das ewige Eis hatte Engstfeld bereits zur Genüge bereist; daher nahm er sich drei der übrigen Schauplätze vor, an denen Flaherty den Kampf zwischen Mensch und Natur so dramatisch und zugleich poetisch dargestellt hatte.

In dem kleinen Dorf auf Samoa, wo Flaherty zwei Jahre gelebt hatte, ehe er seinen Film „Moana“ vollendete, traf Engstfeld einen der Mitwirkenden von damals: einen 84jährigen Mann, der erzählt, wie der fremde Weiße ihnen ihre Kleidung weggenommen, sie in Baströckchen gesteckt und ihnen befohlen hat, immer zu lächeln. Äußerungen wie diese untermauern die (inzwischen unbestrittene) These, daß Flaherty weit stärker inszenierend eingriff, als es im Film den Anschein hat, und vorwiegend eigene romantische Vorstellungen auf die Wirklichkeit projizierte.

Engstfeld, ein kühler Dokumentarist in der Tradition der britischen Schule, setzt in seinen drei Filmen, die immer wieder Ausschnitte aus Flahertys Werk zeigen, nicht fort, was dieser begonnen, sondern versucht aus heutiger Sicht zu ergänzen, was er versäumt hat: eine Bestandsaufnahme der Lebensumstände vor Ort. So gewannen die Filme ein Eigenleben und zugleich eine Engagiertheit, wie man sie bereits aus anderen Dokumentationen Engstfelds kennt.

Das gilt auch für den zweiten Beitrag, der präzise, humorvoll und in nahezu monochromen Bildern das Leben auf der kargen irischen Insel Inish Mor darstellt – sowie Flahertys Vergehen, seine Protagonisten bewußt in schwere See geschickt zu haben, um zu möglichst spektakulären Bildern zu gelangen (in „Man of Aran“, 1934).

Im dritten Teil schließlich sieht Engstfeld die größte „Synchronität“ mit Flahertys Original („The Land“, 1939). Angesichts der industriellen US-Landwirtschaft erwies sich dieser erstmals als kritischer Beobachter – woraufhin sein Film prompt auf Eis gelegt wurde. Engstfeld analysiert die heutigen, prinzipiell unveränderten Zustände – und auf wundersame Weise gehen hier tatsächlich Flahertys und Engstfelds „zweite Blicke“ Hand in Hand. Oliver Rahayel

„Der zweite Blick (2): Aran“, 15.3., 20.45 Uhr; „USA“, 22.3., 20.45 Uhr

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