Rabattenträume

Vom praktischen Bodendecker zum Cottage-Stil: „Mein schöner Garten“ wird 25 Jahre alt  ■ Von Dorothee Wenner

Was eigentlich motiviert Millionen und Abermillionen von deutschen Hobbygärtnern, ihre Freizeit im Garten oder an den Balkonkübeln zu verbringen? Das große Jubiläumsheft 25 Jahre – Mein schöner Garten weiß Rat: In der Rubrik „aktuell“ erfährt der Leser respektive Abonnent, daß 41 Prozent der Befragten „Ausgleich und Erholung“ suchen und 31 Prozent „das Erlebnis Natur“ schätzen. Und das Erlebnis „Lesen über Natur“. Mein schöner Garten hat eine riesige Auflage von rund 450.000 verkauften Exemplaren.

Tatsächlich hat sich der Garten mit all seinen Nebenschauplätzen – Fensterbank, Terrasse, Balkon, Friedhof – seit den Wirtschaftswunderjahren in eine Kampfarena verwandelt, in der nachbarschaftliche und familiale Rangstreitigkeiten ausgefochten werden. Mein schöner Garten informiert über das dazu notwendige Rüstzeug: strategisch, praktisch und gebremst ökologisch. Wenn ein Garten „schön“ sein soll, ist er nämlich keineswegs nur gepflegt, sondern entspricht einem überaus launischen Modediktat in Sachen Blumen, Bäume, Hölzer und Zubehör.

Der Blick in die historischen Sonderseiten vermittelt einen Eindruck in die Wechselhaftigkeit der Trends: „Himalaya-Orchideen im Garten“ waren der exotische Kick 1974, im Strickjahr 1977 hieß es „Knüpfe einen Teppich aus Blumen!“ über den damals neu entdeckten Bodendecker, der sich später – privat wie öffentlich – nur sehr, sehr mühsam wieder entfernen ließ. 1980 wurden die Leser alternativ ermuntert, sich eine Imkerei im Hausgarten anzulegen, 1982 wurde der Rasen erstmalig gegen die nicht eben leicht herbeizugärtnernden „Wildblumenwiesen“ ausgewechselt. Das Jahr 1985 stand mit Kletterrosen im Zeichen der Romantik, die 1993 mit englisch verfeinertem „Cottage- und Country-Stil“ zum vorläufigen Höhepunkt kam.

Man stelle sich nur einmal kurz vor, welcher Energie es bedarf, die eigene Scholle in Duisburg oder Emden alle paar Jahre von einem alpinen Steingarten in eine mediterrane Oase zu verwandeln, um dann, in Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln, den heimischen Bauerngarten originalgetreu zu dekonstruieren! Das verdeutlicht sofort, worüber die Leser von Mein schöner Garten verfügen (sollten): Rastlosigkeit, Modebewußtsein, Geduld und ein gewisses Maß an Wohlstand...

Mein schöner Garten, unangefochtener Spartenführer unter den Gartenzeitschriften aus dem Burda-Verlag, spielt in der „grünen Branche“ neben den Fachgeschäften und Gartencentern die Rolle des professionellen Floristen. Die monatlich erscheinende Illustrierte wird jedoch auch von Gärtnern und Floristen gelesen, doch weniger als „Fachzeitschrift“ denn zur Kontrolle. Ähnlich wie in Mein schöner Garten geht es nämlich im Blumeneinzelhandel um jenen gewissen Vorsprung der Profis gegenüber den Amateuren, auf dem das Geschäft beziehungsweise der Leseanreiz eigentlich beruht.

Dieser Vorsprung ist zum einen jahreszeitlich zu verstehen – so liest man in der Märzausgabe bereits über „Kleine Oasen im Grünen“, die „an heißen Tagen“ Kühle versprechen, oder es wird, neben der Abbildung eines rot gefärbten Feuerahorns gemahnt: „Denken Sie ruhig schon wieder an den Herbst!“ Zum anderen verheißen sorgfältig arrangierte Farbfotos zukünftiges Gärtnerglück, und man wählt das Vielversprechendste für die kommende Saison – ähnlich wie man sich per Katalog das Reiseziel für den nächsten Urlaub aussucht.

Vielleicht die „gemischte Blumenrabatte nach englischem Vorbild“? Oder soll man es einmal wagen, den Nutzgarten aus seinem Cinderella-Dasein zu befreien: „Weil das Gemüse zwar nahrhaft, aber selten attraktiv anzusehen ist, wird es gern in einen eher abgelegen Gartenteil gepflanzt. Dabei gibt es im Nutzgarten viele Gemüsesorten, die bei Besuchern ein erstauntes ,Hätte ich gar nicht gedacht, daß es so etwas gibt!‘ hervorrufen können. Besonders groß ist die Farbpalette bei Tomaten und Paprika...“

Ein genauerer Blick auf die im Heft abgelichteten Fotomodelle führt auf die Spur eines weiteren Erfolgsgeheimnisses des Magazins. Hatten in den Gründerjahren noch Prominente wie Manuela oder Peter Alexander ihren Fans Einblick in ihr geheimes Gartenreich gewährt, entwickelte das Blatt in den 80ern zunehmend mehr Volksnähe. Menschen wie du und ich, tendenziell etwas korpulent und stets unauffällig-bequem gekleidet, dominieren das Bild der abgelichteten Gartenaktivisten.

Dabei richten sich die einzelnen Artikel, so es um die grundsätzlichen Themen geht, meist emanzipiert an sie & ihn, weswegen getrost die Blüte im Vordergrund stehen darf und kein menschliches Wesen seine Aura stört. Die Feinarbeit dagegen, die kleinen, pfiffigen Dekotips, zum Beispiel Zaubernüsse in Terrakottakübel pflanzen, werden von weiblichen Fotomodellen vorgestellt. Das kräftezehrende Herumgewuchte von Containerpflanzen und traditionell männliche Domänen wie Rasenpflege übernehmen illustrativ bärtige Sympathieträger vom Typ Elmar Gunsch. Da und dort hält auf den kleineren Bildern auch ein rüstiger Frührentner den Spaten in der Hand. Natürlich wird auch an die lieben Kleinen gedacht: auf den Sammelseiten „Mein schönes Gärtchen“ sah man zuletzt Amelie und Corinna beim Sammeln von Ringelblumen.

Diese Familienfreundlichkeit der Zeitschrift dient natürlich auch wieder dem eigentlichen Ziel: den Teamgeist fördern – denn der ist unbedingt notwendig, um in der harten Welt der Hobbygärtner, in der die Konjunkturen immer schneller aufeinanderfolgen, bestehen zu können.